Wo sich Flüchtlinge zuhause fühlen

In einem ehemaligen Jugendkeller hat das Café Refugio seine Türen geöffnet. Hamburger und Flüchtlinge betreiben den Treffpunkt gemeinsam – und das seit fast zwei Jahren.

Macher und Besucher im Café Refugio in Harburg mit Michael Schade (3.v.l.)
Macher und Besucher im Café Refugio in Harburg mit Michael Schade (3.v.l.)Felix Tenbaum

Harburg. Kurz vor drei Uhr nachmittags bildet sich schon eine Schlange vor der Tür des Café Refugio in Harburg. Michael Schade ist einer der Initiatoren des Cafés und bis zuletzt mit seinem Team dabei, Kaffee, Tee und etwas Gebäck für die knapp 200 Besucher zu richten. Schlag drei. Die Tür geht auf, und sofort sind die Tischfußballspiele in Beschlag genommen, andere gehen durch in die Teeküche und besorgen sich als Erstes ein warmes Getränk, wieder andere versammeln sich in einer der vielen Sitzgruppen und fangen an, gemeinsam Zeitung zu lesen. Michael Schade kennt im Café Refugio jeden. Jeder, der durch die Tür kommt, grüßt ihn und wird mit Handschlag willkommen geheißen.
Platz gefunden hat die Initiative im ehemaligen Jugendkeller der Trinitatis-Gemeinde. Der frühere Lehrer erzählt von den Anfängen des Cafés: „Eigentlich standen die Räume hier leer und waren ungenutzt. Es gab auch keinen wirklichen Bedarf, weil keine Jugendlichen mehr da waren, um den Keller zu nutzen.“

Besucher kommen aus der ganzen Stadt

Das änderte sich mit Beginn der Flüchtlingskrise im Sommer 2015. In Harburg wurde die zentrale Erstaufnahmeeinrichtung für alle Flüchtlinge in Hamburg eingerichtet. „Wir wollten denen, die neu in Hamburg ankamen, die Möglichkeit geben, mit Alt-Hamburgern in Kontakt zu kommen“, sagt Michael Schade. „Uns war klar, dass wir eine soziale Begegnungsstätte brauchen.“
Diese Begegnungsstätte ist das Café Refugio geworden. An fünf Tagen in der Woche hat das Café geöffnet und zieht Flüchtlinge aus der ganzen Stadt an. „Für viele ist das Café eine Art zweites Zuhause geworden“, freut sich Michael Schade. „Die meisten wohnen gar nicht mehr in Harburg, sondern leben auf ganz Hamburg verteilt, kommen aber immer wieder gern vorbei.“
Aus den rund 30 Mitstreitern Schades sind mittlerweile knapp 100 Helfer geworden, die sich in einem „organisierten Chaos“ die Arbeit teilen. Jeder habe eine eigene selbst ausgesuchte Aufgabe, die zuverlässig erledigt würde, erklärt der 66-Jährige.

Mehr als nur ein Treffpunkt

Mittlerweile gehören auch Flüchtlinge zum festen Helferteam. So auch Samson Mebrahtu. Der 21-jährige Eritreer ist seit November 2015 in Hamburg und empfindet das Café alsAbwechslung zu seinem Alltag in der Flüchtlingsunterkunft. „Es ist hier so schön anders als in den Camps. Ich fühle mich im Café richtig wohl und komme fast jeden Tag.“ Er habe zu Anfang begonnen mit anzupacken, wenn jemand gebraucht wurde. „Jetzt habe ich mich entschlossen, einmal pro Woche eine feste Helferschicht zu übernehmen“, erzählt er.
Hier hat Mebrahtu auch Tamer Imad kennengelernt. Der 23-jährige Syrer hat dem Café Refugio viel zu verdanken: „Ich habe all mein Deutsch nur hier im Café gelernt und sehr viele Freunde gefunden, da möchte ich natürlich etwas zurückgeben.“
Das Café Refugio sei weit mehr als bloß der Treffpunkt, als der es begonnen hatte, weiß Mebrahtu Zakarias, der ebenfalls zum Helferteam gehört. Es gehe lange nicht mehr nur um Kaffee und Tee. Viel Arbeit in Projekten des Cafés finde gar nicht mehr im ehemaligen Jugendkeller statt. „Hier wird gespielt und so spielerisch Deutsch gelernt. Und außerdem gibt es eine Theatergruppe, einen Chor und ganz neu gegründet sogar eine Fußballmannschaft.“
Dass die Flüchtlinge selbst mit anpacken, freut Michael Schade besonders. Aber alleine tragen soll sich das Café nicht. „Wir brauchen natürlich auch Deutsche, die unseren Gästen helfen, Briefe von Behörden zu verstehen, Kontakte zum Jobcenter zu vermitteln und, und, und.“ Das Refugio solle ein Ort für alle Menschen sein, egal woher sie kämen. Das Motto des Cafés fasst Michael Schade knapp zusammen: „Paragraph 1 des Grundgesetzes, ‚Die Würde des Menschen ist unantastbar‘, ist die einzige Ausrichtung, die wir brauchen, um gut miteinander auszukommen.“