Wo geht‘s lang?

Über den Predigttext zum 18. Sonntag nach Trinitatis: Epheser 5,15-20

Predigttext
15 So seht nun sorgfältig darauf, wie ihr euer Leben führt, nicht als Unweise, sondern als Weise, 16 und kauft die Zeit aus, denn die Tage sind böse. 17 Darum werdet nicht unverständig, sondern versteht, was der Wille des Herrn ist. 18 Und sauft euch nicht voll Wein, woraus ein unordentliches Wesen folgt, sondern lasst euch vom Geist erfüllen. 19 Ermuntert einander mit Psalmen und Lobgesängen und geistlichen Liedern, singt und spielt dem Herrn in eurem Herzen 20 und sagt Dank Gott, dem Vater, allezeit für alles, im Namen unseres Herrn Jesus Christus.

Schnell schnappe ich mir das Schlüsselbund, laufe kurz rüber in unsere Dorfkirche. Da müssen doch noch ein paar Flyer liegen. Die brauche ich jetzt. Von innen schließe ich die Sakristeitür auf und bremse mich mitten im Laufschritt. Denn ganz hinten in der Kirche, am Kerzenleuchter, da steht ein Paar. Still und versunken.
Mein Blick wandert zu den Gebetslichtern – ja richtig, da leuchten eine ganze Reihe. Da will ich nicht stören.
Ich verweile still.
Mein Atem wird ruhiger. Der Puls entschleunigt.
„.. singt und spielt dem Herrn in eurem Herzen und sagt Dank.“
Ist das so ein Moment?
Ein Augenblick des Betens und Dankens?
Für das Paar? Das weiß ich nicht. Nur– dass diese beiden im Kirchenraum mich ermuntert haben.

Innehalten und sorgfältig hinschauen

Das ist mir klar. Mich ermuntert haben, „allezeit“ – also in diesem alltäglichen Moment, mich zu stoppen und sorgfältig hinzuschauen. Das gab mir die Chance, dem Danklied nachzuspüren, das in meinem Herzen singt – oder besser: singen soll und zu oft übertönt wird vom selbsterzeugten Lärm.

Dem Verfasser des Epheserbriefes geht es um einen achtsamen Lebensstil: Was ist ein Leben, das Gott gefällt? Was ist der Wille des Herrn? Diese Fragen werden in der frühen Christengemeinde dringlich, weil die eigentlich zeitnah erwartete Rückkehr Christi ausblieb. Also beginnen Christenmenschen, sich in der Welt einzurichten. Sie passen sich an. Richten sich nach dem, was Mainstream ist. Paulus – oder einer seiner Mitarbeiter – hält es für angebracht, dazu ein paar klare Sätze zu sagen. Sie wollen wachrütteln und zu einem achtsamen Lebensstil ermutigen.

Gute Ratschläge?
Erstmal erkenne ich da keinen roten Faden. Woran bleiben Sie hängen?
Da steht ganz direkt formuliert: „Sauft euch nicht voll!“ neben „Seht sorgfältig darauf, wie ihr euer Leben führt!“ Und das gehört zusammen.

Auch unsere Tage sind böse.
Allein, wenn ich an die Energieverknappung denke: Verzichte ich besser auf die tägliche warme Dusche? Reichen mir 19 Grad im Wohnzimmer? Heizen wir unsere Kirche oder das Gemeindehaus?
Und wenn wir mal ganz auf die Weihnachtsbeleuchtung verzichten? Wer sich mit Anderen auf solche Fragen einlässt, muss mit hitzigen Debatten rechnen – Debatten um unseren Lebensstil.

Wie ihr euer Leben führt – seht genau hin!
Die Wirklichkeit auszublenden oder zu vernebeln, dazu wird reichlich Gelegenheit geboten.
Ich ertappe mich dabei, mir scheinbar leichte Wege zu suchen, um aus der bedrängenden Realität zu flüchten – muss man denn nicht mal abschalten?!
Und: einen Rausch bekommt man nicht nur vom Weintrinken. Achtet auf euch! Nicht flüchten, sondern standhalten, das wäre weise.

Ein klarer Blick braucht Mut

Die Wirklichkeit sorgfältig anzusehen, mit klarem, achtsamem Blick, das braucht Mut.
Das braucht einen festen inneren Halt. Im Angesicht von Klimakatastrophe und Krieg, der Erschütterung demokratischer Strukturen und dem Bedeutungsverlust unserer Kirche, woher nehmen wir da diesen sicheren Stand?

„Ermuntert einander!“ Wenn ihr sicheren Halt finden wollt, geht aufeinander zu! Zum gemeinsamen Standhalten rät uns der Epheserbrief. Ihr in der Gemeinde könnt euch doch gegenseitig halten. Also rückt zusammen in den Kirchenbänken, in den Nachbarschaften. Denn gemeinsam findet ihr den, der euch trägt, auch in bösen Zeiten. Den, der euch vergewissert: Hier geht es lang – das ist gut und richtig: ein achtsamer Lebensstil. Gemeinsam werdet ihr Worte finden und sagen: Das ist unsere Linie und hier ist unser Bekenntnis gefragt: Ermuntert einander!

Womit? Mit Singen und Beten.
Denn das konzentriert euch auf den Einen, der euer Herz regieren soll: Jesus Christus.
Und: Gott sei Dank. Da finden wir Halt. Da wird der Atem ruhiger. Der Puls entschleunigt.
Wir verweilen still. Und schöpfen Kraft. Tanken auf und lassen uns neu erfüllen von Gottes Geist.