Wo alle willkommen sind

Inklusion und Teilhabe in Kindergärten – dass das selbstverständlich wird, ist Ziel eines Filmprojekts des Verbands evangelischer Kitas. Hauptfigur ist eine junge, querschnittsgelähmte Frau.

Dietrich Mohr und Julia Schönhoff im Kindergarten "Ruthenberger Rasselbande"
Dietrich Mohr und Julia Schönhoff im Kindergarten "Ruthenberger Rasselbande"Thorge Rühmann

Neumünster. Es beginnt mit klarer Klaviermusik. Im Intro ist zu lesen: „Kann es gelingen? Der Weg zur Inklusion als gelebte Praxis.“ Dann startet die eigentliche Handlung des Films: Eine junge Frau im Rollstuhl kommt in einen Kindergarten. Dort spielt sie mit den Kindern, lässt sich vieles zeigen, wird selbstverständlich an- und wahrgenommen.

Die junge Frau heißt Julia Schönhoff, ist querschnittsgelähmt und arbeitet in den Werkstätten der Lebenshilfe in Neumünster. Dort setzt sie für gewöhnlich Elektronikbauteile zusammen. Doch vor Kurzem hat sie in der Stadt den Kindergarten „Ruthenberger Rasselbande“ besucht: Ein Filmteam begleitete sie dabei, an zwei Drehtagen lernte Julia die Jungen und Mädchen, die Erziehenden und ihren Alltag kennen – und andersherum.

Für Teilhabe aller

Hinter dem Projekt steckt der Verband Evangelischer Kindertageseinrichtungen in Schleswig-Holstein (VEK). Der Verband, dem knapp 600 Einrichtungen im Norden angehören, hat den Imagefilm entstehen lassen, der künftig landesweit in Kitas und an anderen Orten gezeigt werden soll. Das Ziel ist, mehr Verständnis für den Stellenwert von Inklusion und Teilhabe aller Menschen zu schaffen.

Sofort Feuer und Flamme

Als Schülerin hatte Julia Schönhoff ein Praktikum bei der „Rasselbande“ gemacht – und dabei den Kita-Leiter Dietrich Mohr kennengelernt. Der hatte die Idee, sie für das Filmprojekt zu gewinnen. Die heute 28-Jährige war sofort Feuer und Flamme: „Die Dreharbeiten waren gut – es war gar nicht anstrengend“, schildert sie. Der Umgang mit ihrem Rollstuhl sei für die Kinder selbstverständlich gewesen: Die Jungen und Mädchen hätten sie vorurteilsfrei aufgenommen und sich gefreut, zu helfen und den Rollstuhl zu schieben. „Ich kam rein und wurde in Empfang genommen, und dann haben die Kinder mir gezeigt, was sich in den zwölf Jahren verändert hat und was geblieben ist.“

So gab es zwar schon das Ritual des Morgenkreises, aber nicht die Möglichkeit, ein iPad zu nutzen: „Darauf hat mir eines der Mädchen Bilder gezeigt“, sagt Julia Schönhoff. Mit dem Tablet-PC lässt sich etwa die praktische „Family“-App nutzen, um in einer Gruppe Texte und Bilder zu versenden. Und das Programm „Talker“: Damit fällt es Marcel Warczakowski im Kindergarten viel leichter, mit anderen zu kommunizieren – der Junge ist autistisch veranlagt, spricht seine eigene Sprache. Mithilfe des Programms kann er seine Gefühle und Gedanken weitaus besser ausdrücken.

Aus christlichem Menschenbild abgeleitet

Seine Premiere feierte der Film auf dem VEK-Jahresempfang in Rendsburg. Dabei betonte der VEK-Vorsitzende, Propst Sönke Funck, das Leitthema „Inklusion in Kitas“ sei nicht zufällig gewählt, sondern lasse sich aus einem christlichen Menschenbild ableiten: „Es geht uns darum, die Vielfalt aller Kinder wertzuschätzen und jedes Kind individuell begleiten und unterstützen zu können. Das ist eine verantwortungsvolle Aufgabe, die die Kitas am besten schaffen, wenn gute Rahmenbedingungen herrschen“, so Funck. Um inklusiv arbeiten zu können, sei eine gute Ausstattung der Kindergärten zentrale Aufgabe für die neue Landesregierung.

Schranke im Kopf

„Inklusion haben wir erst dann erreicht, wenn wir das Wort nicht mehr nutzen müssen, wenn es ein Selbstverständnis wird“, sagt Dietrich Mohr. Seine Forderung an die Landespolitik: „Wir müssen die Gruppen grundsätzlich auf 15 Kinder bei zwei festen Fachkräften reduzieren. Dann ist es egal, wie viele Kinder davon einen besonderen Förderbedarf haben.“ Aktuell liege die Gruppenstärke im Durchschnitt noch bei 20 Kindern – „das ist zu viel“, so Mohr. Außerdem brauche es in großen Kitas Heilpädagogen und Logopäden, die dort eingesetzt würden, wo es nötig sei. Das sei bereits in der Kita enorm wichtig: „Wir setzen hier die Grundvoraussetzungen für das spätere Lernen in der Schule. Das kindliche Gehirn ist im Kindergartenalter so lernfähig wie später nie wieder.“

Die große Herausforderung bestehe darin, weitere Kita-Plätze zu schaffen, mehr Personal auszubilden und einzusetzen. Dafür müsse der Job attraktiver werden. Diese Probleme anzugehen, „das ist 30 Jahre verschleppt worden“, so Mohr. Das sei auch umsetzbar – es komme vor allem darauf an, die Schranken in den Köpfen abzubauen. Auch dafür soll der Film ein Bewusstsein schaffen. So kommt Julia Schönhoff die Rolle einer Botschafterin zu, die zeigen will: In den Kitas im Land ist jeder herzlich willkommen.