Die Siegener Erziehungswissenschaftlerin Alexandra Flügel plädiert für bildunspolitische und schulische Förderung für Besuche von NS-Gedenkstätten. Es sei wichtig und wünschenswert, dass viele Schülerinnen und Schüler an den wissenschaftlich fundierten und pädagogisch-didaktischen Angeboten von NS-Gedenkstätten teilnehmen könnten, sagte die Professorin der Universität Siegen am Freitag mit Blick auf den Tag des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus (27. Januar). „Gedenkstätten sind Lernorte, die einen bedeutsamen Beitrag zur historisch-politischen Bildungsarbeit leisten.“
„Ein zentrales Prinzip der demokratischen und historisch-politischen Bildungsarbeit ist Freiwilligkeit“, unterstrich sie. „Die Forderung eines verpflichtenden Besuches von NS-Gedenkstätten basiert häufig auf der Annahme und Hoffnung, dass ein physischer Besuch eine quasi immunisierende Wirkung gegenüber Antisemitismus, Rechtsradikalismus oder Rassismus haben könnte.“
In den vergangenen Jahren hätten NS-Gedenkstätten auch vermehrt Angebote für Kinder im Grundschulalter angeboten. „Die nationalsozialistische Vergangenheit ist Bestandteil unserer Erinnerungskultur, an der auch Kinder teilhaben“, betonte Flügel, deren Schwerpunkt bei Schul- und Unterrichtsentwicklung in der Grundschule und Gender Studies liegt. „Aus erziehungswissenschaftlicher und didaktischer Perspektive ist weniger die Frage relevant, ob eine Auseinandersetzung mit dem Thema Nationalsozialismus auch am Lernort Gedenkstätte möglich ist, als vielmehr die Frage, wie diese gestaltet werden kann.“
„Kinder verfügen über ein Wissen zur NS-Vergangenheit, zur Verfolgung und Ermordung – allerdings ist dieses Wissen von Kind zu Kind sehr unterschiedlich“, betonte Flügel. Und wie bei Jugendlichen und Erwachsenen könne es lückenhaft und nicht immer historisch korrekt sein. Bei Lernprozessen zum Thema Nationalsozialismus gehe es zentral um ein reflektiertes Geschichtsbewusstsein. Dazu zähle auch die Frage, welches Handeln unter welchen politischen und gesellschaftlichen Strukturen die Verbrechen und den Massenmord möglich gemacht hätten. Auch in der historisch-politischen Bildungsarbeit mit Kindern im Grundschulalter gelte es, die gesellschaftlichen, politischen und sozialen Dimensionen zu betrachten und kritisch zu reflektieren.