Wir Mutmacher
Über den Predigttext zum Letzten Sonntag im Kirchenjahr: Offenbarung 21,1-7
Predigttext
1 Und ich sah einen neuen Himmel und eine neue Erde; denn der erste Himmel und die erste Erde sind vergangen, und das Meer ist nicht mehr. 2 Und ich sah die heilige Stadt, das neue Jerusalem, von Gott aus dem Himmel herabkommen, bereitet wie eine geschmückte Braut für ihren Mann. 3 Und ich hörte eine große Stimme von dem Thron her, die sprach: Siehe da, die Hütte Gottes bei den Menschen! Und er wird bei ihnen wohnen, und sie werden seine Völker sein, und er selbst, Gott mit ihnen, wird ihr Gott sein; 4 und Gott wird abwischen alle Tränen von ihren Augen, und der Tod wird nicht mehr sein, noch Leid noch Geschrei noch Schmerz wird mehr sein; denn das Erste ist vergangen. 5 Und der auf dem Thron saß, sprach: Siehe, ich mache alles neu! Und er spricht: Schreibe, denn diese Worte sind wahrhaftig und gewiss! 6 Und er sprach zu mir: Es ist geschehen. Ich bin das A und das O, der Anfang und das Ende. Ich will dem Durstigen geben von der Quelle des lebendigen Wassers umsonst. 7 Wer überwindet, der wird dies ererben, und ich werde sein Gott sein und er wird mein Sohn sein.
Der Totensonntag ist ein trauriger Tag. Besonders für diejenigen, die einen lieben Menschen verloren haben. Seit Ausbruch der Pandemie konnten viele nicht so voneinander Abschied nehmen, wie es gut für sie gewesen wäre. Das macht den Schmerz noch größer. Und wir wissen nicht einmal, wann die Begleitung schwerkranker und sterbender Menschen wieder ohne Einschränkungen möglich sein wird.
Doch mitten in unserer Trauer und Sorge hören wir eines der schönsten Hoffnungslieder der Bibel. Und darin dieses Versprechen: Gott wird abwischen alle Tränen von ihren Augen. Was für ein wunderbarer Trost!
Ohne diese Hoffnung könnte ich nicht leben. Ohne diese Hoffnung wäre alles sinnlos, was ich Tag für Tag tue. Ohne diese Hoffnung wüsste ich wirklich nicht ein noch aus.
Es gibt Bibelworte, die erschließen sich nicht ohne Weiteres. In denen haben sich menschliche Gedanken und Worte so in den Vordergrund gedrängt, dass Gottes Wort für mich verdunkelt wird. Doch in diesem Hoffnungslied der Offenbarung höre ich Gottes Stimme klar und deutlich. Genau so wird es sein: Gott wird abwischen alle Tränen. Die Tränen der Menschen, die einsam sterben mussten. Die Tränen der Kinder, denen das Leben geraubt wurde durch Armut, Gewalt und Unterdrückung. Die Tränen der Familien, die es nicht geschafft haben, zusammenzubleiben oder nach Konflikten wieder zusammenzufinden. All die Tränen der Kranken und Leidenden. Der Mutlosen und Enttäuschten. Der Gedemütigten und Schwachen. Der Trauernden.
Die Offenbarung hat schon zur Zeit des Sehers Johannes vielen Christen Mut gemacht. Nicht weil sie auf eine bessere Zukunft vertröstet hätte. Sondern weil sie unmissverständlich sagt: Das Leid, das so viele Menschen durchmachen müssen, ist nicht das Letzte. Dabei wird es nicht bleiben.
Die Konsequenz daraus für uns Christen heißt nicht: Dann warten wir ab, bis alles besser wird. Sondern: Weil Gott sich mit dem Leid seiner Menschen nicht abfindet, tun wir es auch nicht. Darum machen wir Mut, wo es geht. Stehen wir Trauernden bei. Trösten wir Kranke und Sterbende. Und gehen an gegen alle Formen der Ungerechtigkeit und blinden Gewalt. Gegen den Hass und die Unvernunft im Miteinander.
Gott wird abwischen alle Tränen. Vielleicht werden meine Tränen nicht sofort getrocknet. Vielleicht muss ich mich hinten anstellen, weil zuerst die Kinder getröstet werden, die in ihrem kurzen Leben nur Hunger und Not erfahren haben. Vielleicht werden vor mir die Flüchtlinge getröstet, die sich im Stacheldraht der Hartherzigkeit verfangen und keinen Schutz gefunden haben. Vielleicht wischt Gott zunächst die Tränen der Frauen ab, die Opfer von Unterdrückung und Gewalt wurden.
Dagegen wiegen meine Tränen womöglich nicht so schwer. Meine Tränen der Angst und Enttäuschung, der Not und des Kummers. Doch auch ich darf darauf vertrauen, dass Gott alle Tränen abwischen wird. Auch meine und deine. Das ist die große Hoffnung. Die Hoffnung, in der wir leben können. Und in der wir Abschied nehmen können voneinander. Die Hoffnung auf eine Zukunft ohne Leid und Geschrei, ohne Not und Tod.
Darum hat der Totensonntag noch einen zweiten Namen: Ewigkeitssonntag. Das ist ein Tag der Zuversicht. Voller Trost und Gewissheit, dass Gott uns in allem, was wir durchmachen müssen, beisteht. Und dass er alle unsere Tränen einmal abwischen wird. Auf diese Zukunft freue ich mich. Mit dieser Hoffnung kann ich leben – und sterben.