“Wir müssen schneller werden”

Seit Jahren treibt Wolfgang Schürger als Umweltbeauftragter der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern (ELKB) mit seinem Team den Klimaschutz voran. Das Klimaschutzgesetz, das die Landessynode bei ihrer Frühjahrstagung in Coburg jetzt beschlossen hat, ist für ihn der „Turbo“ beim Ziel, bis 2045 beim Treibhausgas-Ausstoß neutral zu werden.

epd: Herr Schürger, vor rund zwei Jahren waren gerade mal rund 200 der 1.530 bayerischen Gemeinden mit dem Umweltsiegel „Grüner Gockel“ zertifiziert. Zugleich kamen nur ein Drittel der seit 2018 geltenden Pflicht nach, ihren Energieverbrauch in das „Grüne Datenkonto“ einzutragen. Hat sich an den Zahlen in der Zwischenzeit etwas verändert?

Schürger: Die Zahlen sind in etwa gleichgeblieben. Für den Gockel gilt: Das Siegel ist kein Muss, man kann auch ohne Zertifikat viel für die Umwelt tun. Was das Datenkonto anbelangt, wollen wir mit dem Klimaschutzgesetz einen Paradigmenwechsel einleiten: Während Gemeinden bislang ihre Energiedaten selbst ins Grüne Datenkonto eintragen sollten, werden das jetzt die Kirchenverwaltungsstellen übernehmen, die ohnehin die Rechnungen buchen. So entsteht für jede Gemeinde eine Energiebilanz, die als Bestandteil der Jahresrechnung in der Haushaltssitzung des Kirchenvorstands besprochen wird. Nur wer seinen Energieverbrauch kennt, kann aktiv werden.

epd: Was ist strukturell nötig, um mehr Tempo in den Klimaschutz der Landeskirche zu bekommen?

Schürger: Die Evangelische Kirche Berlin-Brandenburg und schlesische Oberlausitz erhebt mittlerweile von ihren Gemeinden eine CO2-Abgabe von 125 Euro pro Tonne. Zur Größenordnung: Der jährliche CO2-Ausstoß bayerischer Gemeinden variiert stark, es gibt welche mit 5 Tonnen und andere mit 117 Tonnen. Wir wollen erst mal ohne die Daumenschrauben einer CO2-Abgabe auskommen. Wenn wir bei einem Monitoring der Maßnahmen aus dem Klimagesetz in ein oder zwei Jahren feststellen, dass wir zu wenig tun, müssen wir uns aber unter Umständen ähnliche Maßnahmen überlegen.

epd: Die bayerische Landeskirche will ihren CO2-Ausstoß bis 2035 um 90 Prozent senken, das ist in zehn Jahren. Ist die Kirche im Plan oder hinkt sie hinterher?

Schürger: Wir müssen schneller werden, das ist klar. Die großen Stellschrauben dafür finden sich nach wie vor im Gebäudebereich. Vor allem beim Thema Heizungstausch wollen wir einen Turbo ins Gesetz einbauen: Ab sofort soll es ein Verbot für den Einbau von Heizungen mit fossilen Energieträgern geben – also Öl und Gas. Was neue Technologien betrifft, wollen und müssen wir offen bleiben. Der aktuelle Favorit für Heizungen sind Wärmepumpen. Bei Holzpellets sind wir mittlerweile restriktiv, denn der Nutzungsdruck auf die Wälder nimmt zu, auch durch den Trend zu mehr Holz im Bau. Natürlich sind Holzhackschnitzel eine Option für Orte wie die Christusbruderschaft Selbitz, die einen eigenen Wald hat. Aber im städtischen Umfeld sind sie nicht mehr die erste Option, einfach deshalb, weil die Effizienz von Wärmepumpen inzwischen so viel besser ist.

epd: Welche Maßnahmen fordert das neue Gesetz noch?

Schürger: Die Pflicht, auf zertifizierten Grünstrom umzustellen. Und zwar sofort, also ab Inkrafttreten des Gesetzes zum 1. Juli, mit einer Übergangsfrist bis Ende 2026 für alle, die längerfristige Verträge abgeschlossen haben und diese nicht schneller kündigen können.

epd: 89 Prozent der Emissionen fallen im Gebäudebereich an. Wie geht es da weiter?

Schürger: Der Gebäudestrukturprozess muss jetzt, auch angesichts der Mitgliederentwicklung, beschleunigt und verschärft angegangen werden. Wir rechnen damit, dass wir bayernweit 50 Prozent der Immobilien über 2035 halten können – und die müssen wir dann attraktiv und klimaneutral gestalten. Das sind die wesentlichen Kriterien für zukünftige landeskirchliche Förderungen: Erstens, das Gebäude ist gemäß einer regionalen Gebäudekonzeption über 2035 hinaus zu halten. Zweitens, die Baumaßnahme steht im Einklang mit den Zielen des Klimaschutzgesetzes.

epd: Was ist Ihre Prognose: Wird die Landeskirche ihren Zeitplan bis 2045 einhalten können?

Schürger: Wir wollen ihn einhalten! Die Herausforderungen sind groß, aber ohne Ziele erreicht man gar nichts. Es geht jetzt um die richtige Motivation, wie wir das schaffen können. Das Gesetz gibt uns dazu einen guten Fahrplan vor, den man in Details auch immer wieder nachsteuern kann. Es kann sein, dass wir die letzten Prozente durch wirksame und sinnvolle Negativ-Emissionen kompensieren müssen, ohne CO2 in den Boden pressen zu müssen. Da ist gerade sehr viel in der Forschungs- oder Pilotphase.

epd: Und wenn das Vorhaben nicht gelingt?

Schürger: Wir haben aus der landeskirchlichen Treibhausgasbilanz des Jahres 2022 einmal zurückgerechnet, welche staatlichen CO2-Abgaben im Rahmen des Energieeinkaufs von Heizöl und Gas angefallen sind: Das ist ein mittlerer einstelliger Millionenbetrag landeskirchenweit – bei einem CO2-Preis von 35 Euro pro Tonne. 2026 soll dieser bei 65 Euro liegen, Kirchengemeinden und Einrichtungen müssten dann fast doppelt so viel für die Abgabe zahlen. Das zeigt, was es kostet, nichts zu tun. (00/1316/25.04.2023)