„Wir haben keinen Ärztemangel“

Laut Ferdinand Gerlach, scheidender Vorsitzender des Sachverständigenrats Gesundheit, ist das wahre Problem in unserem Gesundheitswesen eine „unsinnige und gefährliche“ Verteilung des Personals.

Gerlach war von 2007 bis Januar 2023 Vorsitzender des Sachverständigenrats zur Begutachtung der Entwicklung im Gesundheitswesen
Gerlach war von 2007 bis Januar 2023 Vorsitzender des Sachverständigenrats zur Begutachtung der Entwicklung im GesundheitswesenImago / Metodi Popow

Der scheidende Vorsitzende des Sachverständigenrats Gesundheit, Ferdinand Gerlach, hält die Forderung nach mehr Ärzten und Pflegekräften für den falschen Ansatz, um das deutsche Gesundheitswesen für die Zukunft aufzustellen. „Wir haben keinen allgemeinen Ärztemangel“, sagte Gerlach der Ärzte-Zeitung. „Wir haben eine doppelte Fehlverteilung, einmal nach Fachgebieten, und zwischen den Regionen“, so der 61-Jährige. Die meisten Ärzte seien dort, wo sie am wenigsten benötigt würden.

In der stationären Versorgung sieht Gerlach ebenfalls Probleme. In Berlin gebe es je nach Zählweise rund 90 zugelassene Krankenhäuser, von denen 60 an der Notfallversorgung teilnehmen. „Das ist auch unter Qualitätsaspekten absurd und wahrscheinlich ein Weltrekord“, sagte Gerlach.

Hamsterräder bremsen

Viel wichtiger, als mehr Ärzte und Pflegekräfte zu beschäftigen, sei es, die Hamsterräder in Kliniken und Praxen zu bremsen, erklärte der Direktor des Instituts für Allgemeinmedizin der Goethe-Universität in Frankfurt am Main.

„Die häufig erhobene Forderung nach noch mehr Ärzten und Pflegekräften, letztlich ja um diese Hamsterräder und damit die Über- und Fehlversorgung weiter zu befeuern, ist der falsche Ansatz.“ Dies sei für alle Beteiligten, Ärzte, Pflegekräfte und Patienten, „unsinnig, gefährlich und teuer“.

Entlasten und gezielter einsetzen

Außerdem würden Ärzte mit Aufgaben überlastet, für die sie kein Medizinstudium benötigten. „Wir könnten mit der Zahl der Ärzte, die wir haben, wahrscheinlich ganz komfortabel auskommen, wenn wir sie entlasten und gezielter einsetzen würden“, erklärte Gerlach der Ärzte Zeitung.

Gerlach war seit 2007 Mitglied im Sachverständigenrat zur Begutachtung der Entwicklung im Gesundheitswesen, der vom Bundesgesundheitsministerium berufen wird, seit 2012 war er Vorsitzender. Seine Amtszeit endet am 31. Januar 2023.