Wie Tiere trauern

Verhaltensforscher wissen, dass Tiere auf den Tod eines Artgenossen reagieren. Carla Swiderski und Hanna Müller haben daraus ein Sachbilderbuch entwickelt, das Kindern und Eltern den Zugang zum Thema Tod erleichtern soll.

Hamburg (epd). Kinder stellen viele Fragen: Was fressen Kaninchen am liebsten? Warum ist der Himmel blau? Was passiert, wenn man stirbt? «Die meisten Kinder gehen erst einmal unbefangen mit dem Thema Tod um», weiß Kinderbuch-Autorin und Verlegerin Carla Swiderski aus Hamburg. Doch wenn es um die Trauer über verstorbene Großeltern geht, fehlen Eltern schon mal die Worte. Mit ihrer Freundin und Autorin Hanna Müller suchte sie einen Weg, anders über den Tod zu sprechen.
«Und weil Kinder Tiere auch so spannend finden wie wir, entwickelten wir das Sachbilderbuch: 'Wie Tiere trauern'», erzählt die 36-Jährige.

   «Durch die Tiere wird der Wissensdurst der Kinder angefixt, damit ist der Zugang zum Thema Tod und Trauer weniger emotional», sagt Swiderski und streicht über den Regenbogen auf dem Titelbild. Wie beim Menschen wollen die Autorinnen zeigen, dass Tiere ganz unterschiedlich trauern. «Es gibt kein Richtig oder Falsch, mit Verlusten umzugehen», sagt die Verlegerin.

   Forschungen belegen zunehmend, dass Wirbeltiere diverse Emotionen wie Ärger, Freude und auch Trauer zeigen können. «Mittlerweile ist es wissenschaftlicher Konsens, dass die Unterschiede zwischen Mensch und Tier gradueller und nicht grundsätzlicher Natur sind», sagt Verhaltensökologin Jutta Schneider von der Universität Hamburg. Tiere hätten eigene Persönlichkeiten. «Warum sollten sie nicht auch Gefühle haben?»

   Einige Primaten oder Elefanten zeigen nach dem Tod von Jungen oder Gruppenmitgliedern Verhaltensweisen, die man als Trauer deuten könnte. «Wir können natürlich nicht mit Sicherheit wissen, ob Tiere genauso empfinden wie wir und in unserem Sinn trauern», sagt Schneider. Sicher sei, dass Tiere starke Bindungen untereinander eingehen können und auch Freundschaften pflegen. «Die Anwesenheit
eines Partners wirkt auf diese Tiere beruhigend, und sie versuchen, Trennungen zu vermeiden», erläutert Schneider. Daher sei es nicht verwunderlich, wenn sie beim Tod eines Partners teils probieren, mit ihm Kontakt zu halten, ihm Reaktionen zu entlocken und Trauerverhalten zeigen.

   «Jede Tierart hat ihre eigenen Wege, mit dem Tod umzugehen», sagt Swiderski. Manche suchen Nähe, andere ziehen sich eher zurück. «Wenn ein Elefant stirbt, verabschieden sich die anderen, indem sie den Verstorbenen immer wieder anstupsen und an ihm schnüffeln», berichtet Swiderski. Sie halten Totenwache und legen jeden Tag mehrere Kilometer zwischen Futterplatz und dem toten Artgenossen zurück. Auch Wale halten eine Art Totenwache: Einige Walarten schwimmen gemeinsam zu dem toten Tier und streifen es mit den Flossen.

   Affen verbringen einige Tage mit den Verstorbenen und schlafen auch in ihrer Nähe. Affenmütter tragen ihre toten Kinder einige Zeit mit sich herum, und nach dem Tod der Eltern haben Geschwister-Affen eine engere Bindung als zuvor. Auch Fledermäuse sind sehr soziale Säugetiere, die gerne in größeren Gruppen zusammenleben. «Mögen sich zwei Tiere, reiben sie ihre Nasen aneinander», sagt die Hamburgerin Autorin. Wenn einer aus der Gruppe stirbt, fressen und schlafen
Fledermäuse weniger.

   «Spannend ist, dass nicht nur Säugetiere auf den Tod ihrer Artgenossen reagieren», sagt Swiderski. Schließlich gebe es auch Vogelarten wie Gänse, die ihr gesamtes Leben mit einem Partner verbringen. Stirbt einer, senkt der hinterbliebene Partner den Kopf, bewegt sich im geduckten Gang und stößt einen Ruf aus, der «Pfeifen des Verlassenseins» genannt wird.

   Mit den Geschichten über die unterschiedlichen Tiere, die mit einfühlsamen Illustrationen von Miren Asiain Lora bebildert sind, wollen die beiden Autorinnen auch Trost spenden. Trauer und Tod gehören selbstverständlich zum Leben dazu. Swiderski sagt: «Wir möchten Kindern einfach helfen, diese Themen zu begreifen und darüber zu sprechen.»