Wie Maria und Joseph im Koffer durch Lübeck reisen

Was wäre, wenn Jesu Eltern heute unterwegs wären auf der Suche nach einer Bleibe, wie es die Bibel berichtet? Ein kirchliches Projekt in Lübeck schickt Maria und Joseph in einem Koffer auf Reisen.

Pastorin Anne Mareike Müller mit dem Adventskoffer in der Gemeinde Lübeck-Buntekuh
Pastorin Anne Mareike Müller mit dem Adventskoffer in der Gemeinde Lübeck-BuntekuhKristina Larek

Lübeck. Maria und Joseph machen sich auf den Weg. In einem alten, dunkelgrünen Reisekoffer mit der Aufschrift „Maria & Joseph on Tour – Auf dem Weg nach Bethlehem“ sind beide im Dezember auf einer Reise durch den Lübecker Stadtteil Buntekuh, eventuell auch noch weiter. Losgeschickt hat Pastorin Anne Mareike Müller die beiden Krippenfiguren: „Ich suche mir einfach ein Ehepaar, eine Familie oder ein einzelnes Gemeindemitglied aus, wo ich denke, das sind Menschen, die gern Fremde zu Besuch haben“, sagt Müller. 2017 hat die Theologin das Paar schon einmal auf die Reise geschickt.
Unangemeldet stand die Pastorin damals vor einer Tür, klingelte und bat um Herberge für Maria und Joseph. Bei einem Tee, Kaffee und Keksen erklärte sie den überraschten Herbergsgebern dann, worum es ihr bei dem Projekt geht: „Die Menschen sollen mit den Figuren ins Gespräch kommen, ein bisschen darüber nachdenken, welchen Weg sie machen und was wäre, wenn sie heute wirklich bei ihnen klingeln würden.“ 

Gastgeber tragen sich in Buch ein

So soll es auch 2018 beginnen. Nach der Übergabe ist das Schicksal der beiden dann den Herbergsgebern überlassen – diese suchen aus, beim wem Jesu Eltern als nächstes um Einlass bitten. Im besten Fall, so hofft die Pastorin, geht es dann jeden Tag in ein neues Haus oder eine neue Wohnung, um etwas anderes zu erleben. 
Was den Krippenfiguren in den Herbergen widerfährt, erfährt Anne Mareike Müller erst an Heiligabend. An diesem Tag sollen Maria und Joseph nämlich zurück ins Pastorat gebracht werden. Die Pastorin wird dann im Herbergsbuch blättern, in das die Menschen zumindest ihren Namen und das Datum eintragen. Im Vorjahr hatten sich viele mehr Mühe gemacht: „Manche haben einen Stern gebastelt und ihn eingeklebt, einen Engel gemalt oder ein Zitat aus der Bibel reingeschrieben“, so die Pastorin.
Ein Herbergsvater habe sogar mit den beiden gestritten, berichtet Müller. Er habe es als unfair empfunden, dass die beiden nun so ein heiliges Kind auf die Welt bringen sollen und diesen hohen Druck ertragen müssten. Mit dieser großen Berufung hätten sie als Menschen einfach klarkommen müssen; Gott habe sie gar nicht danach gefragt, ob sie es denn auch wollen. „Das war ein fiktives Gespräch zwischen dem Herbergsvater und Joseph“, so Müller. Der Tagebucheintrag wirke so, als habe ihn Maria in das Herbergsbuch geschrieben.

Aufregender Heiligabend

Aber nicht jeder, der den Adventskoffer bekommt, muss auf die gleiche Weise vorgehen. „Man kann die beiden an den Abendbrottisch, an den Adventskranz oder schon an den geschmückten Tannenbaum stellen“, gibt sie Ideen vor. Aber es sei auch in Ordnung, wenn jemand den Koffer einfach zu und verschämt an der Tür stehen lasse. Ins Gespräch kommen könne auch bedeuten, dass Maria und Joseph Grund für eine Geschichte sind oder der Eintrag ins Herbergsbuch einmal eine andere Beschäftigung mit dem Thema Advent darstellt.
Die Idee zum Adventskoffer hat Anne Mareike Müller von einer Kollegin. Besonders toll daran fand sie, dass Kirche mit der Aktion zeigen könne, „wir sind nicht nur Kirche, wenn ihr zu uns kommt, sondern wir kommen auch zu euch“, erklärt die Pastorin. Ganz in der Tradition von Maria und Joseph oder eben auch Jesus, die ebenso zu den Menschen gegangen seien. Für die Theologin ist Gott ein Gott, der zu den Menschen kommt. „Das tut er an Weihnachten besonders. Denn genau das feiern wir im Advent – dass er bei uns auf der Erde und in den Häusern ankommt“, so Müller. Gott sei eben nicht nur dann präsent, wenn die Menschen in die Kirche gingen.
An Heiligabend wird es auch in diesem Jahr wieder für die Pastorin aufregend. Kommen die beiden Krippenfiguren Maria und Joseph rechtzeitig zurück zu ihr? 2017 hat es geklappt. Am 24. Dezember hatte ein Ehepaar bei Anne Mareike Müller geklingelt. „Das waren Menschen, die ich vorher noch nie in meiner Gemeinde gesehen hatte“, erzählt die Pastorin. Sie habe mit den Besuchern im Büro gesessen und sich unterhalten: „Es war wirklich spannend, auch mal jemand anderes zu sehen als sonst.“ Jetzt ist sie gespannt auf die Menschen, die in diesem Jahr mit dem Adventskoffer bei ihr klingeln.