Wie geht es weiter mit Lauterbachs Reform?
Kliniken schlagen Alarm: Inflation und Lohnerhöhungen treiben die Kosten. Sollte es nicht bald Hilfen geben, werde es weitere Insolvenzen und Lücken bei der Patientenversorgung geben. Ein Blick auf den Krankenhausgipfel.
“Die finanzielle Lage der deutschen Kliniken ist so ernst wie noch nie.” Vor dem Krankenhausgipfel am Montag hat der Vorstandschef der Deutschen Krankenhausgesellschaft, Gerald Gaß, deutliche Forderungen an den Bundesgesundheitsminister. Es geht um schnelle Hilfen für die Kliniken. Und es geht darum, wie es mit der umstrittenen Krankenhausreform weiter geht. Die Katholische Nachrichten-Agentur (KNA) gibt einen Überblick.
Nach Darstellung von Gaß leiden die Kliniken unter der hohen Inflation und den steigenden Personalkosten. Sie können die Kosten nicht einfach auf die Patienten umlegen, sondern müssen warten, bis die Krankenkassen die Sätze erhöhen. Das dauert aber. “Seit den Jahren 2022 und 2023 laufen den Kliniken die Kosten davon”, erklärte Gaß am Montag in der “Augsburger Allgemeinen”. Die Krankenhausgesellschaft erwartet im laufenden Jahr ein Defizit der Kliniken von insgesamt sechs Milliarden Euro. Nach ihren Angaben drohen Insolvenzen und Sparmaßnahmen, die zu Einschränkungen in der Patientenversorgung, etwa Verschiebungen bei planbaren Operationen, führen werden.
Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) verweist darauf, dass die Reform die finanzielle Lage der Kliniken deutlich verbessern wird. Die Krankenhäuser verweisen aber darauf, dass sie auf das Inkrafttreten der Reform nicht warten können. Schon aktuell gebe es Insolvenzen und Schließungen von Krankenhäusern. Es drohe eine ungesteuerte und nicht von den Bedürfnissen der Patienten gelenkte Bereinigung der Krankenhauslandschaft. Nötig seien deshalb Soforthilfen.
Bislang gibt es in Deutschland rund 1.900 Krankenhäuser – nach internationalen Vergleichswerten viel zu viele. Zugleich bestehen in einigen, vor allem ländlichen Regionen Versorgungslücken, während in großen Städten ein Überangebot zu verzeichnen ist. Sinkende Patientenzahlen durch zunehmende ambulante Behandlungen, Personalnot und stark steigende Kosten legen es nahe, die Zahl der Häuser zu verringern.
Deutschland gibt zwar sehr viel Geld für das Gesundheitssystem aus, dennoch gilt die Behandlungsqualität als mittelmäßig. Manche Krankenhäuser führen komplizierte Behandlungen – etwa bei Brustkrebs oder Herzinfarkt – durch, obwohl sie dafür wenig medizinische Erfahrung haben oder schlecht ausgestattet sind.
Das bestehende Vergütungssystem in Krankenhäusern mit festen Fallpauschalen pro Eingriff begünstigt Kliniken, die möglichst viele und teure Behandlungen durchführen, die medizinisch möglicherweise nicht notwendig sind. So gibt es in Deutschland vergleichsweise weit mehr Knie- und Hüftoperationen als in anderen Ländern. Andererseits führt das Vergütungssystem dazu, dass sich bestimmte Bereiche wie Geburtsstationen, Kinder- und Jugendmedizin wegen geringer Fallzahlen und hohen Vorhaltekosten nicht mehr tragen.
Kernstück der Krankenhausreform ist ein neues Vergütungssystem, das die Kliniken von dem ökonomischen Druck befreien soll, immer mehr Patientinnen und Patienten zu behandeln. Dazu sollen die Fallpauschalen nur noch 40 Prozent der Vergütung ausmachen. Die restlichen 60 Prozent sollen Kliniken allein für das Vorhalten von Leistungsangeboten bekommen. Dazu zählen das Vorhalten von Personal, einer Notaufnahme oder notwendiger Medizintechnik. Kritiker sagen allerdings, dass durch die Beibehaltung der Fallpauschalen weiterhin Fehlanreize bestehen bleiben.
Nein. Ein wesentliches Ziel ist es, die Behandlungsqualität zu verbessern, indem nicht mehr jede Klinik alles machen darf. Krankenhäuser müssen für die von ihnen angebotenen Behandlungen das notwendige Personal, eine angemessene medizinische Erfahrung und die entsprechende Technik vorweisen. Dazu werden ihnen entsprechende, bundesweit einheitliche Leistungsgruppen zugewiesen. Lauterbach verweist immer wieder darauf, dass etwa die Überlebenschancen bei Krebs oder Herzinfarkt stark steigen, wenn spezialisierte Häuser die Behandlung durchführen. Das dürfte auch die Zahl der Kliniken verringern und für mehr große Kliniken sorgen. Zugleich soll aber für Stationen für Kindermedizin, Geburtshilfe, Schlaganfall und Intensivmedizin ab 2027 mehr Geld zur Verfügung gestellt werden. Auch Unikliniken sollen mehr Geld bekommen.
Kürzlich ist beispielsweise das Krankenhaustransparenzgesetz in Kraft getreten. Es gibt ein Online-Verzeichnis, mit dessen Hilfe sich Patienten über die Zahl der jeweiligen medizinischen Behandlungen in jedem Krankenhaus, Komplikationsraten und Personalstärke informieren können. Weitere große Themen sind die Reform der Notfallversorgung und der Rettungsdienste.
Kritiker werfen dem Bundesgesundheitsministerium vor, durch die Definition der Qualitätskriterien die Krankenhausplanung an sich zu ziehen und zu zentralisieren, für die eigentlich die Bundesländer zuständig sind. Es drohe eine Reform am Reißbrett. Mehrere Länder haben deshalb mit einer Klage gedroht; sie wollen Lauterbach zwingen, die Reform nur mit Zustimmung des Bundesrats zu verabschieden.
Sie haben Angst, dass kleinere Krankenhäuser geschlossen werden. Dadurch könnten sich die Gesundheitsversorgung und die Hilfe im Notfall verschlechtern; die Menschen müssten weitere Wege in Kauf nehmen. Allerdings sieht die Reform vor, dass bedarfsnotwendige Krankenhäuser auf dem Land erhalten bleiben, um die medizinische Grundversorgung zu gewährleisten. Dazu sollen sie jährliche Förderbeträge erhalten. Bestehende Kliniken können demnach auch in eine “sektorenübergreifende Versorgungseinrichtung” umgewidmet werden. Dort sollen wohnortnah keine komplizierten Eingriffe mehr gemacht werden, sondern unter anderem Pflege und kleinere Operationen.
Für die Reform soll ein Transformationsfonds mit einem auf zehn Jahre berechneten Gesamtvolumen von 50 Milliarden Euro errichtet werden. Er soll je zur Hälfte von Bund und Ländern finanziert werden. Der Bund will seinen Anteil allerdings aus dem Gesundheitsfonds der Krankenkassen finanzieren. Dagegen könnten die Kassen klagen. Auch der Bundesrechnungshof hat Einwände dagegen. Die Organisation der Gesundheitsversorgung sei staatliche Pflichtaufgabe und Sache der Steuerzahler und nicht der Beitragszahler, argumentieren die Finanzexperten.