Wie geht Demut? Was ist Gnade?

Seit diesem Kirchenjahr gilt in der EKD eine neue Ordnung der Gottesdienstlichen Texte und Lieder. Im „angesagt“ stellen wir die darin neu vorgeschlagenen Wochenlieder vor. Meine engen Grenzen Evangelisches Gesangbuch. Ergänzungsband EG.E 12 Angelika Obert zum neuen Wochenlied

Angelika Obert zum neuen Wochenlied

Was Demut ist und was Gnade, darüber wird nachzudenken sein, wenn es im Wochenspruch am 11. Sonntag nach Trinitatis heißt: „… aber den Demütigen gibt er Gnade“ (1. Petrus 5,5b). Das Lied von den „engen Grenzen“ kann da als ein Übersetzungsversuch verstanden werden. „Demütig“ – das heißt dann: Ich halte meine Überzeugungen nicht für das Maß aller Dinge, sondern bin mir meiner beträchtlichen Kurzsichtigkeit bewusst. Ich kenne meine Schwäche und verwechsle meine Ängstlichkeit nicht mit berechtigtem Sicherheitsbedürfnis. Ich verberge meine Verlorenheit nicht hinter einem Panzer von respektabler bürgerlicher Existenz. Davon sprechen die vier Strophen des Liedes: Abgelegt wird die alltägliche Selbstgewissheit, wahrgenommen das schutzlose, sehr begrenzte Menschenkind, das ich auch dann bin, wenn ich es gerade nicht merke. Aber nun: die Gnade! Sie wird im Lied beschrieben als die Erfahrung von Weite, Stärke, Wärme und Heimat. Wie schön! Nicht abstrakt ist diese Gnade. Sie ist vielmehr das Ende meiner engen Grenzen, eine Rundum-Erlösung, wie ich sie wirklich gern hätte. Nicht weniger ist uns ja auch versprochen, wenn es bei Paulus heißt: „In Christus: eine neue Kreatur“ (2. Korinther 5,17). Aber derselbe Paulus wird ja seine quälende Schwäche nun nicht los, sondern lässt sich von Gott sagen: „Lass dir an meiner Gnade genügen“ (2. Korinther 12,9).So ist die Gnade also doch noch etwas anderes als die Aufhebung meiner Grenzen? Vielleicht eher: dass ich die Grenzen annehmen kann? Was ist Demut? Was ist Gnade? Darüber kann man lange nachdenken …