Wie eine Leichenhalle zum Ort der Erinnerung wird

In Schönwalde am Bungsberg soll eine ehemalige Leichenhalle zu einem Ort des Gedenkens umgestaltet werden. Eine Studentin der Muthesius Kunsthochschule in Kiel hat den Sieger-Entwurf gestaltet.

So soll der künftige Gedenkort in Schönwalde aussehen
So soll der künftige Gedenkort in Schönwalde aussehenPrivat

Schönwalde/Kiel. Es ist ein ambitioniertes Projekt, das da in Schönwalde am Bungsberg entstehen soll. Man hätte die nicht mehr benötigte Leichenhalle aus den 1950er-Jahren, die dort neben der Kirche steht, einfach wegreißen können. Doch Pastor Arnd Heling hatte eine andere Idee: die Einrichtung eines überkonfessionellen Gedenk- und Trauerortes.

Dafür hat der Pastor inzwischen Mitstreiter gefunden. Zu den Jüngsten gehören vier Studentinnen der Muthesius-Kunsthochschule in Kiel, die dort im Studiengang Szenografie/Interior Design eingeschrieben sind. In der Kunsthochschule präsentierten sie einer kleinen Delegation aus Schönwalde kürzlich ihre Ideen. Paulina Seubert stellte ihren Entwurf zuerst vor: Demnach könnten die Wände der ehemaligen Leichenhalle zunächst verputzt und dann lichtgrau gestrichen werden; auch Boden und Decke würden in demselben hellen Farbton erstrahlen. Dadurch würde der Raum größer wirken, obwohl er nur vier mal fünf Meter misst. Das Besondere aber ist die innere Raumhülle aus Glas, die mit futuristisch anmutender OLED-Bildschirmtechnik kombiniert wird, sodass etwa Dokumente und Fotos präsentiert werden können.

„Tief beeindruckt“

Drei historische Gedenktafeln (eine als Replik), die an die Gefallenen dreier Kriege im 19. und 20. Jahrhundert erinnern und früher im Eingangsbereich der Kirche zu finden waren, werden künftig in dem neu gestalteten Raum hinter Glas stehen. Auch das Gedenkbuch für die Gefallenen des Zweiten Weltkriegs wird dort digital präsentiert. So soll das Gedenken eine zeitgemäße Form finden und ein Raum für verschiedene Anlässe der Andacht entstehen – etwa am Tag des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus, am Weltfriedenstag, vor allem aber auch am Volkstrauertag.

Der gemeinsame Entwurf der Studentinnen Liska Uhe, Ana Lopes und Johanna Aranyos, ist ebenfalls ein Raum-in-Raum-Konzept, setzt beim Material aber auf Eschenholz-Leisten und ein besonderes Lichtkonzept.

„Berührt und tief beeindruckt“ sei er, sagt Pastor Heling im Anschluss an die Präsentation. Natürlich haben die Kirchengemeinderatsvertreter Rudi Hoffmann und Brigitte Hilbert sowie Birte Mau, Bauleiterin und Bausachverständige, noch einige Fragen. Dennoch, eines ist klar: „Wir werden ganz sicher damit arbeiten“, so Heling, der die Verbindung zum Lehrstuhl von Professorin Dagmar Schork hergestellt hatte. Sie und andere Dozenten haben die Entstehung der Entwürfe der Studentinnen über drei Monate begleitet. Die Aussicht auf Realisierung ihrer Entwürfe habe die Studentinnen doppelt motiviert. Es stecke sehr viel Herzblut und Idealismus in ihren Arbeiten, sagt Schork.

Weltanschauung spielt keine Rolle

Ein paar Tage später fällt die Entscheidung für den Entwurf von Paulina Seubert. Der Vorteil für die Gemeinde, die sich so ein Projekt ansonsten nicht leisten könnte: Die Kosten lassen sich dank des studentischen Engagements niedrig halten. Kalkuliert wird mit insgesamt 65 000 Euro. Mehrere Stiftungen, der Kirchenkreis Ostholstein, der ökumenische Verein Andere Zeiten sowie die politischen Gemeinden von Schönwalde und Kasseedorf beteiligen sich. Außerdem haben ein örtlicher Dachdecker und ein Maurermeister für kleines Geld schon einige Vorarbeiten am Gebäude vorgenommen. Und es gibt eine Fundraising-Aktion, die 3000 Euro einbringen soll. Wenn alles gut geht, wird schon am Volkstrauertag alles fertig sein.

„Der Gedenkort soll allen Opfern von Krieg und Gewalt in Geschichte und Gegenwart gewidmet sein“, erläutert Heling. Es gehe ihm „um die Pflege einer lebendigen Erinnerungskultur, unabhängig von weltanschaulichen Voraussetzungen“, sagt er. Und er ist froh, dass viele in Schönwalde das Vorhaben unterstützen. Gerade für den Volkstrauertag, der vielerorts inzwischen nur noch den Charakter einer Pflichtveranstaltung hat, erhofft sich der Pastor neue Impulse. Die traditionelle Kranzniederlegung solle zwar nicht ersetzt werden: Er will aber die Bevölkerung wieder stärker einbinden. Ihm schwebt zum Beispiel eine Menschenkette vor, die vom „kommunalen Ehrenmal“ am Friedhof bis zum neuen Gedenkort reichen soll. Genaueres wird noch beraten.