Wie ein Wimmelbild aus dem Leben Christi

„Anna webt Reformation“ heißt eine Ausstellung in Meldorf, bei der ein historischer Wandteppich mit religiösen Motiven im Mittelpunkt steht. Das aufwendig gearbeitete Kunstwerk entstand 1667 anlässlich des 150. Jahrestages der Reformation.

Die Berliner Restauratorinnen Salwa Joram (vorne) und Christine Binroth betrachten mit Museumsleiterin Jutta Müller (l.) den Teppich.
Die Berliner Restauratorinnen Salwa Joram (vorne) und Christine Binroth betrachten mit Museumsleiterin Jutta Müller (l.) den Teppich.epd/Inke Pohl

Von Inke Pohl
Meldorf.  Ein Stück textile Zeitgeschichte ist in seine Heimat zurückgekehrt, zumindest für einige Monate. Der sogenannte Bildteppich der Anna Bump, der jetzt in der Ausstellung "Anna webt Reformation" im Dithmarscher Landesmuseum in Meldorf zu sehen ist, entstand vor 350 Jahren in Dithmarschen. Das beweisen nicht nur Material und Technik des Kunstwerks. "Außergewöhnlich ist, dass eine Signatur eingearbeitet ist", sagt Textilrestauratorin Christine Binroth.
 
Das Familienwappen und der Name Anna Bump führte Forscher zu einem Eintrag in ein Taufregister von 1644. Diese nennt die Geburt von Antje – niederdeutsch für Anna – Bump aus dem Geschlecht der Helmer in Kleve bei Hennstedt. Der 3,50 Meter lange Wandteppich ist im Jahr 1667 zum 150. Jahrestag der Reformation fertiggestellt worden – das beweist ein eingewebtes Datum. In fünf Bildfeldern, umrahmt von hochdeutschen Zitaten aus Luthers Bibelübersetzung von 1545 sind 50 Szenen aus dem Leben Christi zu sehen, von der Verkündigung über Kreuzigung und Auferstehung bis zur Wiederkehr als Weltenrichter. Die Bibelstellen wurden als Buchstaben und Zahlen mit eingewebt. Außerdem sind exotische Motive wie Tiere, Pflanzen und Fabelwesen zu entdecken, auch ein Elefant und sogar ein Rhinozeros, in Anlehnung an das berühmte Motiv Albrecht Dürers.

Heute würde man es "Wimmelbild" nennen

Alle Motive sind dicht an dicht gesetzt, mit vielen Details gearbeitet und doch sehr plakativ, fast wie ein Comic. "In heutiger Sprache würde man das Wort pixelig verwenden", so die Restauratorin Salwa Joram. "Oder es ein Wimmelbild nennen", ergänzt  Museumsleiterin Jutta Müller. Bis heute beschäftige sich die Forschung mit seiner Herkunft und den Hintergründen der Entstehung, erzählt die Direktorin.
Der Teppich befindet sich seit 1971 im Besitz des Museums für deutsche Volkskunde, dem heutigen Museum Europäischer Kulturen in Berlin. Zuvor hing er im Israel Museum in Jerusalem, wohin er 1955 durch eine Schenkung aus den USA gelangte. Von dort kam er im Tausch gegen jüdische Literatur nach Berlin. Dort war die Ausstellung zum 500. Reformationsjubiläum im vergangenen Jahr konzipiert worden. Ob Anna Bump den Teppich tatsächlich webte, entwarf oder stiftete, ist jedoch nicht endgültig geklärt. Auch ob er für eine Kirche gefertigt wurde, an welchen Orten er im 19. Jahrhundert hing und warum er einst in drei Teile getrennt und wieder zusammengefügt wurde, ist ein Rätsel.

Einblicke in die Welt des 17. Jahrhunderts

Auffallend sei das künstlerisch-handwerkliche Niveau, betont Müller. Es stelle die biblischen Geschichten und die Alltagswelt des 17. Jahrhunderts in vielen Facetten dar. So finde sich auch eine für die Region typische Windmühle und ein Mann mit einem Fernglas, das erst 50 Jahre vorher erfunden worden war.  Die handwerkliche Arbeit spiegele flämische Einflüsse wider, da viele Flamen, die wegen ihres protestantischen Glaubens fliehen mussten, in Norddeutschland eine neue Heimat fanden und als Weber über das Land zogen und ihre Dienste anboten.

Ausstellung noch bis Ende August im Dithmarscher Landesmuseum

Ergänzt wird die Meldorfer Ausstellung durch zeitgenössische Objekte aus dem Kircheninventar der Region, Textilien, Möbel mit Schnitzereien christlicher Motive und verschiedene Objekte der Alltagskultur. Auch das historische Abendmahlsgeschirr aus der Hennstedter Kirche ist zu sehen, das auch die rätselhafte Anna Bump genutzt haben muss.
Die Ausstellung "Anna webt Reformation" ist bis zum 19. August im Dithmarscher Landesmuseum, Bütjestraße, in Meldorf, zu sehen. Dieses ist dienstags bis freitags von 11 bis 16.30 Uhr und sonntags von 11 bis 16 Uhr geöffnet. Der Eintritt kostet 5/3 Euro. Begleitet wird die Schau von Führungen, Filmabenden und Web-Workshops.