Wie ein Verein Antisemitismus in der Musik begegnet

Judenfeindliche Anspielungen finden sich auch in Songs. Eine Musikwissenschaftlerin will mit ihrem Verein Alma Rose junge Menschen für antisemitische Anspielungen hellhörig machen.

Rapper Kollegah und Farid Bang auf dem Roten Teppich bei einer Echo-Verleihung
Rapper Kollegah und Farid Bang auf dem Roten Teppich bei einer Echo-Verleihung

Antisemitismus und Musik – das lässt an Richard Wagner denken, an streitbare Auftritte von Roger Waters und an den Skandal nach der Echo-Verleihung für die Rapper Kollegah und Farid Bang. Deren Gangsta-Rap ist gerade bei Jugendlichen beliebt. Diese Musik bedient Bielefelder Experten zufolge häufig sexistische Rollenbilder, autoritäre Gesellschaftsvorstellungen und „verschwörungsideologische und antisemitische Interpretationen globaler Herrschaftsverhältnisse“.

Die Musikwissenschaftlerin Karin Germerdonk nimmt sich des Themas mit ihrem neu gegründeten Verein „Forum Alma Rose“ von einer anderen Seite an. Über Musik will sie Jugendlichen die Folgen von Ausgrenzung und Antisemitismus näherbringen. Germerdonks Forum will in den nächsten Monaten verschiedene Projekte zum Thema starten.

Namensgeberin ist die jüdische Geigerin Alma Rose. Die 1906 in Wien geborene Musikerin, Nichte des Komponisten Gustav Mahler, war als Geigerin erfolgreich und tourte mit ihrem Frauenorchester „Wiener Walzermädel“ durch Europa – bis die Nationalsozialisten an die Macht kamen.

Alma Rose leitete Orchester im KZ

Rose starb im April 1944 im Konzentrationslager Auschwitz-Birkenau. Im KZ leitete sie das Mädchenorchester, in dem auch Anita Lasker-Wallfisch und Esther Bejarano spielten. Laut der Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem war Rose eine beeindruckende Persönlichkeit. Sie verlangte ihren Musikerinnen hohe Leistungen ab. Viele jüdische Orchestermusikerinnen bewahrte sie vor dem Tod.

Das Forum setzt sich für Musiker und Komponisten ein, die während der NS-Herrschaft verfolgt wurden. Die Erinnerung an viele jüdische Künstler sei durch die Nationalsozialisten ausgelöscht worden, sagt Germerdonk. „Jüdische Namen, aber auch die anderer verfolgter Gruppen wurden beispielsweise aus den Handbüchern und Musikführern gestrichen.“ Die Nachschlagewerke seien von den Nazis entsprechend ihrer Ideologie bearbeitet – und noch bis in die 1990er Jahre im Sinne der Nazis gedruckt worden, sagt die Musikwissenschaftlerin. Alma Rose und Komponisten wie Ernst Toch und Paul Ben-Haim seien dadurch fast vergessen worden.

Konzerte verbieten ist keine Lösung

Das Forum richtet den Blick auch in Gegenwart und Zukunft. In den kommenden Monaten soll es einen Musikwettbewerb für junge Menschen geben. Außerdem einen Podcast und eine Reihe mit Konzerten und Diskussionen. Der Antisemitismusbeauftragte des Bundes, Felix Klein, unterstützt die Aktion.

Der Wettbewerb lädt Schüler ab der 9. Klasse ein, Gedichte jüdischer Autoren zu vertonen. Beispielsweise von Nelly Sachs, Rose Ausländer, Kurt Tucholsky, Selma Meerbaum-Eisinger oder Immanuel Weißglas. „Sie sollen kreativ werden und eine Performance einreichen“, sagt Germerdonk. Den Musikstil können sie frei wählen. Ob klassisches Lied, Jazz-Interpretation, gerappte Aufnahme oder elektronische Musik. „Wir wollen junge Menschen sensibilisieren, wo Antisemitismus anfängt und was Ausgrenzung mit Menschen macht“, sagt Germerdonk.

Antisemitismus in der Musik sei vielschichtig, fügt sie hinzu. Dazu zählten judenfeindliche Worte in Texten, Ausgrenzung jüdischer Musiker, Israelhass, abwertendes Handeln. Konzerte zu verbieten löse aber keine Probleme, meint Germerdonk. Problematisch sei, dass einige Rapper in ihrer Musik neben beleidigenden Textzeilen „eine Haltung vermitteln, die frauenfeindlich, homophob und antisemitisch ist“.

Antisemitische Anspielungen werden oft nicht verstanden

Bielefelder Forscher kommen 2021 in einer Studie zu dem Ergebnis, dass Gangsta-Rap-Hörer häufiger zu antisemitischen Einstellungen neigen. Rückschlüsse ließen sich aber nicht ziehen. „Es ist nicht eindeutig, ob das Hören von Gangsta-Rap zu antisemitischen Einstellungen führt, ob Menschen, die generell eher antisemitisch eingestellt sind, lieber Gangsta-Rap hören, oder ob sich diese zwei Faktoren gegenseitig bedingen“, schreiben die Autoren. Sie befragten 2020 rund 500 Jugendliche und junge Erwachsene in NRW. Sie stellten auch fest, dass antisemitische Anspielungen von den Befragten selten verstanden würden.

Im Forum Alma Rose engagieren sich aktuell sechs Mitglieder. Geplant ist ein Umzug von Völklingen im Saarland Richtung Berlin. Dort will Germerdonk den Verein zu einem „Forum gegen Antisemitismus in Musik und Kultur“ ausbauen.