Wie ein Kirchenbezirk Konfessionslose beerdigt

Keine kirchliche Bestattung ohne vorherige Kirchenmitgliedschaft – so lautet die Regel. In Württemberg erprobt nun ein Kirchenbezirk, wie man Angehörige gestorbener Konfessionsloser besser begleiten kann. Dabei gab es Hindernisse.

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Leonberg. Vor dieser Herausforderung steht jeder Gemeindepastor mehrfach im Jahr: Ein aus der Kirche Ausgetretener ist gestorben – und die Angehörigen wünschen eine kirchliche Trauerfeier. Laut den Statuten kann dieser Wunsch lediglich in Ausnahmefällen erfüllt werden, denn die kirchliche Bestattung ist eigentlich nur für Kirchenmitglieder vorgesehen. Der evangelische Kirchenbezirk Leonberg bei Stuttgart will nun in einem nach eigenen Angaben bundesweit einmaligen Pilotprojekt einen Diakon beauftragen, Beerdigungen von Nichtmitgliedern auf Wunsch der Hinterbliebenen zu begleiten. 
Der Anstoß dazu kam von Christian Tsalos, Gemeindepastor in Heimsheim bei Pforzheim. Ihn erschüttert, dass in Ballungsgebieten inzwischen schätzungsweise jeder zweite Verstorbene ohne Trauerfeier beigesetzt wird. Er selbst bekomme drei- bis viermal im Jahr einen Anruf von Angehörigen mit der Bitte, für einen Verstorbenen einen Gottesdienst abzuhalten, der nicht in der Kirche war. Tsalos geht nach eigenen Angaben mit solchen Anfragen großzügig um, und ihm gefällt nicht, dass die Anrufer in die Position des Bittstellers versetzt werden. "Das finde ich unwürdig", sagt der 56-Jährige. Er kennt allerdings auch Pastorenkollegen, die solche Bitten prinzipiell ablehnen. 

Kirchenleitung hatte Bedenken

Deshalb kam ihm eine Idee: Der Kirchenbezirk schafft eine zentrale Anlaufstelle, an die sich Trauerfamilien für die kirchliche Begleitung solcher Feiern für Konfessionslose wenden können. Für dieses Projekt konnte Tsalos nicht nur seinen Dekan Wolfgang Vögele gewinnen, sondern auch das Diakonische Werk Württemberg und den Oberkirchenrat in Stuttgart.
Doch es gab Hindernisse: Allerdings musste dazu das Konzept in den vergangenen Wochen noch einmal kräftig überarbeitet werden. Bei der Kirchenleitung hatte man nämlich Bedenken, dass die Präsenz eines Pastors dazu führt, dass die Trauerfeier mit einer kirchlichen Bestattung verwechselt wird. Diese sei eine Amtshandlung in einem öffentlichen Gottesdienst, zu dem die Glocken läuten, erklärt der für Theologie zuständige Kirchenrat Frank Zeeb. Das neue Angebot müsse sich deutlich von einer kirchlichen Beerdigung unterscheiden. 
Die Projektpartner haben sich deshalb auf folgende Regelung geeinigt: An der Trauerfeier für einen Konfessionslosen nimmt kein Pfarrer im Talar teil, sondern ein Diakon. Weil es kein öffentlicher Gottesdienst ist, läuten auch nicht die Kirchenglocken. Laut Zeeb will man damit keineswegs eine Bestattung zweiter Klasse einführen – es sei vielmehr ein "sozialdiakonischer Dienst" an den Angehörigen, den man aus seelsorgerlichen Gründen leiste und der erkennbar keine kirchliche Beerdigung darstelle.

Missionarischer Gedanke

Der Vorstandsvorsitzende des Diakonischen Werks Württemberg, Oberkirchenrat Dieter Kaufmann, sieht in dem Projekt Chancen insbesondere für ärmere Menschen. "Seelsorgerliche Begleitung und eine würdevolle Bestattung soll allen Menschen offenstehen, auch wenn sie oder ihre Angehörigen konfessionslos sind", unterstreicht Kaufmann. 
Um das neue Angebot bekanntzumachen, setzt Ideengeber Christian Tsalos insbesondere auf die Bestattungsunternehmen. Diese seien im Todesfall meistens die ersten Ansprechpartner – und hätten von sich aus Interesse, die Betroffenen über alle Möglichkeiten zu informieren, die die Kirche biete. Klar sei aber auch: Wenn sich der Tote zu Lebzeiten eine Mitwirkung der Kirche am Begräbnis verbeten habe, respektiere man das und setze sich auch nicht auf Bitten der Angehörigen über diesen Wunsch hinweg. Finanziert werden soll dieser Dienst zunächst aus einem Sonderprogramm der Landessynode, bei Erfolg dann durch Spenden. Noch vor Jahresende soll die 50-Prozent-Stelle ausgeschrieben werden. 
Tsalos verknüpft mit dem Angebot einen missionarischen Gedanken: Frauen und Männer, die keinen oder wenig Kontakt zur Kirche hätten, könnten bei einer Trauerfeier mit der christlichen Botschaft erreicht werden. Das Angebot enthalte zudem nicht nur die Mitgestaltung des Begräbnisses, sondern auch das seelsorgerliche Gespräch mit den Hinterbliebenen. Für die Außenwirkung der Landeskirche sieht der Theologe einen weiteren Vorteil: "Wir können den Menschen zeigen: Wir sind nicht nur hinter eurer Kirchensteuer her." (epd)