Wie der Norden für den Bußtag kämpfte

Zum ersten Mal war der Buß- und Bettag vor 25 Jahren nicht mehr arbeitsfrei, sehr zum Missfallen der Kirche. In Schleswig-Holstein strengte sie sogar eine Volksabstimmung an – vergeblich.

Am ersten nicht arbeitsfreien Bußtag predigte Bischof Karl Ludwig Kohlwage im Novemver 1995 im Lübecker Hauptbahnhof
Am ersten nicht arbeitsfreien Bußtag predigte Bischof Karl Ludwig Kohlwage im Novemver 1995 im Lübecker HauptbahnhofStephan Wallocha / epd

Kiel. Vor 25 Jahren wurde der Buß- und Bettag in fast allen Bundesländern als arbeitsfreier Feiertag abgeschafft – nur Sachsen machte eine Ausnahme. Damit wollte die Bundesregierung unter Helmut Kohl (CDU) den Arbeitgeberanteil an der neu geschaffenen Pflegeversicherung ausgleichen. Doch die Nordelbische Kirche wollte das nicht widerstandslos hinnehmen. In Schleswig-Holstein initiierte sie eine Volksabstimmung. Es gab am Ende zwar eine Mehrheit für den Erhalt des Bußtags, es nahmen jedoch nicht genug Wähler an der Abstimmung teil.

Von der Streichung des Buß- und Bettages wurde die evangelische Kirche damals weitgehend überrascht. Er habe keinen Zweifel, dass sie engagiert für den Feiertag gekämpft habe, betont der Schleswiger Bischof Gothart Magaard heute. Es habe damals gute Gründe gegeben, sich für seinen Erhalt stark zu machen. Hessen-Nassaus Kirchenpräsident Volker Jung sieht das damalige Engagement dagegen kritischer. Die Kirche habe nicht energisch genug Widerstand geleistet, sagte er kürzlich.

Kieler Hörnbrücke besetzt

Erstmals seit der Einführung 1990 gab es in Schleswig-Holstein 1997 ein Volksbegehren mit anschließender Volksabstimmung. Mit Plakaten und lila Werbebannern an Kirchtürmen warben die Gemeinden für den Bußtag. Auf Diskussionsveranstaltungen wurde heftig gestritten. Viele Gemeinden entdeckten den Bußtag neu für das Gemeindeleben. Zu den spektakulären Aktionen der Kampagne gehörte die kurzfristige Besetzung der neuen Kieler Hörnbrücke. Unterstützung für den evangelischen Feiertag kam auch vom katholischen Erzbistum.

Zu wenig Beteiligung

Die Argumentation der Nordelbischen Kirche hatte eine Schwachstelle: Wäre der Bußtag als gesetzlicher Feiertag wieder eingeführt worden, hätten alle Beschäftigten im Norden den doppelten Beitrag zur Pflegeversicherung zahlen müssen. Vorgeschlagen wurden als Alternative die Streichung eines Urlaubstages oder die Finanzierung aus Steuern. Die rot-grüne Landesregierung unter Heide Simonis war gegen die Wiedereinführung des Feiertages, CDU und FDP forderten die Streichung eines Urlaubstages.

Am Ende ging die Volksabstimmung am 30. November 1997 verloren. Zwar votierten zwei Drittel für den Bußtag. Notwendig wäre aber gewesen, dass 25 Prozent der Wahlberechtigten mit „Ja“ stimmen. Stattdessen waren es nur 19,9 Prozent. Die Wahlbeteiligung lag insgesamt bei 29,3 Prozent. Später strengten auch andere Landeskirchen in Hessen, Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen Volksbegehren an. Sie waren aber bei weitem nicht so erfolgreich wie im Norden.

Dann kam der Reformationstag

Schon unmittelbar nach der verlorenen Volksabstimmung wurde das Positive der kirchlichen Kampagne gesehen. Der Bußtag sei neu im Bewusstsein der Bevölkerung verankert worden, betonte der damalige Schleswiger Bischof Hans Christian Knuth. Auch sei dadurch verhindert worden, dass weiter über die Streichung eines Feiertages wie etwa dem Pfingstmontag diskutiert werde.

20 Jahre nach dem verlorenen Volksentscheid wurde in Schleswig-Holstein der Reformationstag am 31. Oktober als arbeitsfreier Feiertag eingeführt. Die leidenschaftliche Debatte um den Bußtag, so Bischof Magaard, habe möglicherweise den Boden für die parlamentarische Entscheidung bereitet. (epd)