Mehr Zeit vor dem Bildschirm, weniger Zeit mit Freunden im Freien: Die Mediennutzung von Kindern und Jugendlichen hat sich in den vergangenen Jahren grundlegend gewandelt. „Die Grenzen zwischen digitaler und analoger Welt verschwimmen immer mehr“, sagte Isabel Brandhorst, Psychologin und Jugendsuchtforscherin am Universitätsklinikum Tübingen, im Gespräch mit dem Evangelischen Pressedienst (epd). Problematisch werde das vor allem dann, wenn die Mediennutzung andere Lebensbereiche verdrängt oder Kinder mit für sie ungeeigneten Inhalten konfrontiert werden, so die Expertin. Eine moderate Nutzung altersgerechter Angebote könne das Leben hingegen sogar bereichern und die Entwicklung fördern.
Brandhorst verwies auf Ergebnisse der KIM-Studie 2024 des Medienpädagogischen Forschungsverbunds Südwest. Demnach hat die Zahl der Kinder, die täglich im Internet sind, zugenommen. Laut dieser Studie sind 54 Prozent der internetnutzenden 6- bis 13-Jährigen jeden Tag online. Das ist ein Anstieg um sieben Prozentpunkte im Vergleich zu 2022. Damit verschiebt sich die intensive Nutzung des Internets bis ins Grundschulalter. Dabei spielen auch soziale Medien wie TikTok oder Instagram eine bedeutende Rolle, obwohl deren Nutzung erst ab 13 Jahren erlaubt ist.
Von den Eltern, deren Kinder über ein eigenes Smartphone verfügen, gaben in der Studie 43 Prozent an, eine Bildschirmzeit am Smartphone einzustellen. 39 Prozent überprüfen die Nutzungsdauer und etwa ein Viertel bespricht die Bildschirmzeit gemeinsam mit ihren Kindern. 55 Prozent jedoch verzichten vollständig auf technische oder begleitende Maßnahmen zur Steuerung der Nutzungszeit. Nach Brandhorsts Worten ist ein eigenes Smartphone für Heranwachsende nicht per se problematisch. Entscheidend sei, welche Apps genutzt werden und wie viel Zeit die Kinder damit verbringen. Sie empfehle: „Qualität vor Quantität.“
Eine Orientierung für Eltern böten spezielle Onlineportale wie www.spieleratgeber-nrw.de oder www.flimmo.de. Zudem habe das Universitätsklinikum Tübingen ein anonymes und kostenfreies Onlinetraining entwickelt, das helfen soll, die Mediennutzung der Kinder im Familienalltag konfliktfrei zu gestalten (https://www.medizin.uni-tuebingen.de/de/ises-kids-onlinetraining). Sie begrüße die Debatte um mögliche Smartphone-Verbote an Schulen, so die Expertin weiter: „Die Gesellschaft ist hier gerade in Bewegung.“
Zum Suchtpotenzial sozialer Medien für Kinder und Jugendliche erklärte Brandhorst, dass Abhängigkeitsprobleme seltener seien als etwa bei Alkohol oder Drogen. Jedoch zeigten fast 22 Prozent der Jugendlichen eine riskante Nutzung sozialer Netzwerke. Fast fünf Prozent der Jugendlichen in Deutschland litten Studien zufolge unter einer Social-Media-Nutzungsstörung. Besonders alarmierend: „Wir sehen eine große Gruppe, die zwar Probleme mit der Kontrolle ihrer Mediennutzung hat, aber noch keine negativen Konsequenzen spürt – das ist ein gefährlicher Vorläufer.“ (1864/29.07.2025)