Wie bitte???

Über den Predigttext zum 1. Sonntag im Advent: Offenbarung 3,14-22

Predigttext
14 Schreib an den Engel der Gemeinde in Laodizea: „So spricht der, der das Amen ist, der treue und wahrhaftige Zeuge, der Anfang von Gottes Schöpfung: 15 Ich kenne deine Taten. Du bist weder kalt noch heiß. Ach, wärst du doch kalt oder heiß! 16 Doch du bist lauwarm, weder heiß noch kalt. Darum will ich dich aus meinem Mund ausspucken. 17 Du sagst: Ich bin reich, habe alles im Überfluss und mir fehlt es an nichts. Dabei weißt du gar nicht, wie unglücklich du eigentlich bist, bedauernswert, arm, blind und nackt. 18 Ich gebe dir einen Rat: Kauf Gold von mir, das im Feuer gereinigt wurde. Dann bist du wirklich reich! Und kauf weiße Kleider, damit du etwas anzuziehen hast. Sonst stehst du nackt da und musst dich schämen! Kauf außerdem Salbe und streich sie auf deine Augen. Denn du sollst klar sehen können! 19 Alle, die ich liebe, weise ich zurecht und erziehe sie streng. Mach also Ernst und ändere dich.20 Hör doch! Ich stehe vor der Tür und klopfe an. Wer meine Stimme hört und die Tür öffnet, bei dem werde ich eintreten. Ich werde mit ihm das Mahl einnehmen und er mit mir. 21 Wer siegreich ist und standhaft im Glauben, der soll neben mir auf meinem Thron sitzen – so wie auch ich den Sieg errungen habe und neben meinem Vater auf seinem Thron sitze.“ 22 Wer ein Ohr dafür hat, soll gut zuhören, was der Geist Gottes den Gemeinden sagt! (BasisBibel)

Manche Briefe sollte man mehrmals lesen, bevor man antwortet. Man sollte eine Nacht darüber schlafen. Und dann muss man natürlich nicht alles auf sich selbst beziehen. Dieser Brief ist klar an eine andere adressiert. Laodizea steht im Adressfeld, eine Stadt in der heutigen Türkei. Er ist einer von sieben; der einzige allerdings, der so kritisch ist. Der Brief erreicht mich durch Jahrtausende und einen ganzen Erdteil entfernt.

Es klopft. Da steht jemand vor der Tür. Aber ich will nicht aufmachen. Wer weiß, wer da steht. Wer weiß, was der von mir will…

Was will der eigentlich von mir?

Du bist zum Kotzen, brüllt er durch die geschlossene Tür. Ich kenne dich. Du bist wie lauwarmer Kaffee. Eine ungenießbare Plörre, die niemand trinken mag, du bist jemand, den man nur noch ausspucken kann! – Wie bitte?! – Kochend heiß soll ich sein oder wenigstens eiskalt? Will mich hier jemand zum Extremisten machen? Wer hat ein Interesse daran?

Da spricht einer, der von Anfang an keinen Widerspruch duldet. Einer, der schon Amen sagt, bevor er überhaupt angefangen hat zu reden. Und wenn ich doch widersprechen möchte? Gerade an dieser Stelle. Da stehe ich und habe den Blick in zwei Richtungen gleichzeitig gewandt, nach vorn und nach hinten.

Es ist Krieg. Der Blick zurück zeigt, dass alle vergangenen Kriege noch nicht zu Ende sind. Dass die Kinder und Kindeskinder der Getöteten niemals leben werden. Der Blick nach vorn zeigt, dass das nie aufhört.

Es hat geklopft. Ich habe nicht aufgemacht. Warum habe ich mich verschlossen?
Dafür liegt jetzt ein Brief in meinem Briefkasten. Ich lese. Ich versuche zu antworten: „Sehr geehrter Herr Christus…“, schon wird ein Gebet daraus, unter der Hand. Will ich das? Lässt er eine Antwort zu? Vertraue ich mich der Autorität von jemandem an, der gelebt hat, was er sagt, dessen Botschaft Liebe ist? Ich versuche es.

Er antwortet: Schau doch hin: Du hast dich in deinen Reichtum eingemauert. Du bist wirklich manchmal wie Laodizea, die reiche Stadt. Alles hast du. Und doch bist du sehenden Auges blind, bist nackt in deinen teuren Kleidern, bist bitter arm tief in dir drin. Darum mache bitte die Tür auf! Ich komme. Es ist doch Advent!

Ich öffne die Tür zu meinem Herzen und sehe, die Wahrheit liegt nicht irgendwo dazwischen. Aber sie ist auch nicht einfach heiß oder kalt. Sie liegt eher darunter, sie unterläuft die Entscheidungen, die an der Oberfläche gefällt werden, wo alle einer Meinung sind. Wenn es wirklich so ist, dass ein Krieg, wenn er einmal begonnen hat, nie wieder aufhört, was ist dann meine Antwort?

Einer, der mich wirklich sieht

Wenn ich die Tür öffne, dann möchte ich, dass da jemand steht, der mich wirklich sieht. Meine Fragen, meine Zweifel. Meine Mutlosigkeit. All das aushält. Jemand, der nicht nur das sieht, worin ich reich bin und stark. Auch wenn ich Reichtum und Stärke gern vor mir hertrage, weil ich mich dann sicher fühle. Auf meiner Stirn steht nicht Laodizea und auch in Laodizea lebten ganz unterschiedliche Menschen, Menschen wie du und ich.

Ich möchte ansprechbar sein. Ich möchte Ohren haben, die hören. Auch die Zwischentöne, die zwischen heiß und kalt liegen. Darüber möchte ich streiten – selbst mit Gott, wenn er es ist, der sich wieder einmal verschließt. Ich möchte Fragen stellen in diesem Advent. Amen.