Westfalen im 18. Jahrhundert: Ein Pfarrer berichtet

Welch ein friedliches Miteinander: Dass es zwischen Katholiken und Protestanten ohne Streit zugeht, ist im 18. Jahrhundert alles andere als selbstverständlich. Im damals noch westfälischen Osnabrück aber funktioniert es. „Der Lutheraner“, so Johann Moritz Schwager, „ruht auf den katholischen Kirchhöfen nebst seinem katholischen Bruder, der Katholike glaubt nicht, daß die geweihte Erde dadurch entheiligt werde, und wenn wechselseitige Toleranz einmal so viel Terrän gewonnen hat, da ist Hoffnung zu größeren Fortschritten“. 1783 schreibt Schwager (1738-1804) diese Zeilen an einen Freund in Berlin.
Schwager, evangelischer Pfarrer in Jöllenbeck (heute ein Teil Bielefelds), hat Westfalen und seinen Menschen ein Denkmal gesetzt – in Briefen, autobiographischen Schriften und Reiseberichten: ihren Städten und Dörfern, ihrer Lebensart, ihren Gepflogenheiten, ihren Charaktereigenschaften, ihrem Arbeiten und Wirtschaften.
Im Aisthesis Verlag ist nun – nach den „Briefen aus Jöllenbeck“ – der Band „Autobiographische Schriften und kleinere Reisebeschreibungen über Westfalen“ erschienen. Herausgegeben von dem Soester Pfarrer Frank Stückemann, der auch über Schwager promoviert hat, ist der Band eine wahre Fundgrube für alle, die an westfälischer Volkskunde und Geschichte interessiert sind. Wer sich auf die etwas gestelzte Sprache  der Zeit einlässt, wird viel Neues und Erhellendes über das 18. Jahrhundert in Westfalen finden: etwa vom „Heyrathen auf eigene Hand“ oder vom „Bauernstolz“.
Schwager war ein überzeugter Aufklärer. Der verbreitete Aberglaube, auf den er im ländlichen Jöllenbeck stieß, war ihm ein Greuel, wie er in dem Bericht über seine eigene Amtsführung bekennt. Offenbar aber gelang es ihm trotzdem, die Menschen für sich und seine Ideale zu gewinnen. „So aber ward ich“, schreibt er an seinen Pfarrerskollegen Bernhard Christoph Ludwig Natorp in Essen, „mit einemmale aus der großen Welt in eine bloße Landgemeine geworfen, unter Menschen, die sich Anfangs nicht bilden lassen wollten, bis ich sie näher kennen lernte und die schwachen Seiten entdeckte, wo ihnen beyzukommen war“. hei

Johann Moritz Schwager: Autobiographische Schriften und kleinere Reisebeschreibungen über Westfalen. Herausgegeben von Frank Stückemann. Aisthesis Verlag, Bielefeld, 438 Seiten, 29,80 Euro.