Werden Latino-Wähler in den USA zum Zünglein an der Waage?
Beim Urnengang am Dienstag dürfte auch die Wählerschaft mit lateinamerikanischen Wurzeln ein Wörtchen mitzureden haben. Was manche wundern dürfte: Bei ihr steht Donald Trump ziemlich gut da.
Vor dem Wahllokal des Miami-Dade Electoral Department hat sich eine lange Schlange gebildet. Auf der Zufahrtsstraße warnt eine Leuchtanzeige, dass Parkplätze knapp oder schon besetzt sind. Hier im Herzen der Metropolregion Miami schlägt das Herz der Latino-Wähler eindeutig für Donald Trump. Und die meisten wollen gar nicht bis zum 5. November warten, sondern geben ihre Stimme schon jetzt beim “Early Voting” ab.
Die Mehrzahl der hier lebenden Migranten hat Wurzeln in Kuba oder Venezuela. Sie stehen allem, was als “eher links” eingeordnet oder von Donald Trump so bezeichnet wird, kritisch gegenüber. Dies liegt daran, dass sie oder ihre Vorfahren aus kommunistischen Diktaturen in die USA geflohen sind. Allein nach Ausbruch der historischen Proteste auf Kuba 2021 gegen die katastrophale Versorgungslage und für eine demokratische Öffnung haben schätzungsweise rund eine Million Menschen die Insel verlassen: Das entspricht zehn Prozent der dortigen Bevölkerung. Miami und die Umgebung waren schon immer eine Hochburg der Exil-Kubaner.
Die, die inzwischen einen US-Pass haben und wahlberechtigt sind, werden wohl zu zwei Dritteln für Trump stimmen, ergab eine Umfrage der Florida International University. Doch es gibt auch Gegenstimmen. Der gebürtige Argentinier Andres Oppenheimer, eine der prominentesten konservativen Latino-Stimmen in den USA und Kolumnist des “Miami Herald”, warnt eindringlich: “Trump ist ein autoritärer Populist, der die Grundwerte Amerikas offen missachtet: Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Toleranz.”
Mächtig Gegenwind bekommt Trump zudem von einer anderen Gruppe Latino-Wähler. Die Mehrheit der Puerto-Ricaner in Zentralflorida unterstützt laut einer aktuellen Umfrage der University of Central Florida Trumps Gegenspielerin Kamala Harris; offenbar nicht zuletzt eine Folge der beleidigenden Äußerungen eines Komikers über Puerto Rico auf einer Trump-Kundgebung vor einigen Tagen. Der Vorfall löste in der puerto-ricanischen Community in den USA großen Ärger aus.
Auch die Kirche meldete sich zu Wort: Hauptstadt-Erzbischof Roberto Gonzalez aus San Juan drückte in einem Brief an Trump seine Bestürzung über die umstrittene Bemerkung des Komikers Tony Hinchcliffe aus. “Puerto Rico ist keine schwimmende Müllinsel”, ließ Erzbischof Gonzalez wissen und ging dabei auf die Wortwahl des Entertainers ein. “Puerto Rico ist ein schönes Land, das von sehr wertvollen Menschen bewohnt wird”, betonte der Geistliche.
Er möge gute Witze, aber Humor habe Grenzen, so der Erzbischof weiter. Humor dürfe die Würde der Menschen nicht antasten. Hinchcliffes Kommentare würden dagegen nicht nur böses Gelächter, sondern Hass hervorrufen. “Solche Kommentare haben keinen Platz in einer Gesellschaft, die auf Freiheit und Gerechtigkeit für alle gegründet ist”, schrieb Erzbischof Gonzalez. “Diese Art von Äußerungen sollte nicht Teil des politischen Diskurses einer zivilisierten Gesellschaft sein.” So wie der Erzbischof denken offenbar auch die in den USA lebenden Puerto-Ricaner.
Die sogenannten “Latino-Votes” in den USA werden ohnehin immer wichtiger. Schätzungsweise 36,2 Millionen Wähler mit Latino-Wurzeln sind in diesem Jahr wahlberechtigt, 2020 waren es 32,3 Millionen. Jedes Jahr kommen in der Gruppe etwa 1,4 Millionen Wahlberechtigte hinzu, wie aus einer Statistik des Pew Research Center hervorgeht. Die Wählergruppe wird also von Wahl zu Wahl größer und entscheidender. Bei den Präsidentschaftswahlen 2020 erhielt Sieger Joe Biden 59 Prozent der Stimmen von Latinos. Auch am Dienstag (5. November) dürfte der Einfluss erheblich sein.