Wer nimmt Maria und Josef auf?

Laut Evangelium wanderten sie einst von Nazareth nach Bethlehem. In diesem Advent sollen Maria und Josef in der Stralsunder Luthergemeinde von Haus zu Haus gehen. Jeder kann das berühmte Paar für einen Tag beherbergen.

Gemeindepädagogin Brit Röhnke hat den Koffer gepackt und besucht auf Wunsch auch die jeweiligen Herbergseltern
Gemeindepädagogin Brit Röhnke hat den Koffer gepackt und besucht auf Wunsch auch die jeweiligen HerbergselternSybille Marx

Stralsund. Lächelnde Münder, rosige Wangen: Erstaunlich entspannt sehen sie aus, diese Maria und dieser Josef, die da im Advent durch die Stralsunder Luthergemeinde wandern sollen. Zwei Figuren in einem Koffer, den Gemeindepädagogin Brit Röhnke gepackt hat. Von den Strapazen ihrer Reise, die das Lukas­evangelium andeutet, ist in ihren Gesichtern wenig zu sehen. Dafür jede Menge Zuversicht. Aber auch das passt, findet Brit Röhnke. „Mit unglaublich viel Gottvertrauen sind Maria und Josef ja damals losgezogen.“ Von Nazareth nach Bethlehem, Maria schon hochschwanger. Wir alle, meint Brit Röhnke, könnten ein bisschen mehr von diesem Gottvertrauen brauchen.

Jeder aus der Luthergemeinde soll nun die Chance haben, das berühmte Paar aus der Bibel im Advent zu beherbergen. „Wir suchen Menschen, die Lust haben, Maria und Josef für einen Tag aufzunehmen“, erklärt Brit Röhnke. Am 24. Dezember, pünktlich zu Jesu Geburt, sollen die beiden dann in der Stralsunder Lutherkirche ankommen – einer hellen, frisch sanierten Neubaukirche mitten in einem ruhigen Wohnviertel der Stadt. „Ich bin gespannt, ob es klappt.“

Schulen sagten ab

Eine erste Station ist vereinbart: Die Kita Heuweg will das Ehepaar bald aufnehmen, erzählt Brit Röhnke. Mehrere Schulen hätten auch Interesse angemeldet, wegen der Corona-Lage jedoch wieder abgesagt. Sie hofft, dass möglichst viele aus der Gemeinde sich nun melden, um mit Maria und Josef einen Tag zu verbringen, in ihrem Beisein etwa Adventslieder zu singen, Bibel zu lesen, eine Andacht zu halten oder anderes. Eine Kinderbibel mit ihrer Geschichte, eine Anleitung und ein Reisetagebuch hat Röhnke mit in den Reisekoffer gepackt.

Reisetagebuch fährt mit

„Jeder Gastgeber kann im Reisetagebuch erzählen, was er mit Maria und Josef erlebt hat.“ Aus ihrer Gemeindepädagogik-Ausbildung kennt Brit Röhnke dieses Projekt, konnte sich die Reisetagebücher anderer Gemeinden anschauen. „Viele machen mit Maria und Josef ganz rührende Erfahrungen“, sagt sie.

Und wenn jemand gar keine Idee hat, was er mit den ungewöhnlichen Gästen aus dem Jahr 1 anfangen soll? Brit Röhnke sagt, dann unterstütze sie gern. Wegen der aktuellen Corona-Lage seien bis auf die Gottesdienste zwar wieder alle Gemeinde-Veranstaltungen abgesagt. „Aber 1-zu-1-Begegnungen sind erlaubt, insofern könnte ich zu einzelnen Gastgebern hinfahren und den Maria-und-Josef-Besuch mitgestalten, wenn sie das wollen.“

Miteinander verbunden – trotz Corona

Durch das Projekt, hofft sie, wird in der Gemeinde das Gefühl wachsen, trotz der Abstandsregeln miteinan­der verbunden zu sein. Ohnehin lebten im Seelsorgegebiet der Gemeinde viele Menschen in ihren Einfamilienhäusern recht isoliert. „Hier wurde vor zwei Jahren eine Sozial­raumanalyse durchgeführt, bei der sich zeigte, dass viele nicht einmal ihre direkten Nachbarn kennen.“ Unter anderem deshalb hat es sich die Luthergemeinde zum Ziel gesetzt, für mehr Begegnungen im Viertel zu sorgen – mit zig Angeboten, zu denen nun auch Marias und Josefs Reise gehört.

Brit Röhnke hofft, dass Menschen von Maria und Josef im Koffer auch ganz neu an die frohe Botschaft von Jesu Geburt erinnert werden – und vielleicht daran, dass Geflüchtete heute ähnlich auf Gastfreundschaft angewiesen seien wie Jesu Eltern damals. „Ankommen zu dürfen ist etwas ganz Wichtiges“, sagt Brit Röhnke. „Dass es da jemanden gibt, der sagt: Du bist herzlich willkommen.“ Auch die Luthergemeinde wolle ein Ort des Ankommens sein – für möglichst viele im Viertel.