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Mobbing im Job – Experten geben Tipps für Betroffene

Mobbing hat schwere Folgen. In Frankfurt beraten Ehrenamtliche Betroffene – unterstützt von Kirchen und Gewerkschaften. Doch Hilfe kommt oft zu spät, warnen Fachstellen.

"Frauen im Alter zwischen 40 und 55 Jahren machen den Großteil derer aus, die sich an uns wenden", sagt Beatrix Wiesner von der Frankfurter Mobbingkontaktstelle
"Frauen im Alter zwischen 40 und 55 Jahren machen den Großteil derer aus, die sich an uns wenden", sagt Beatrix Wiesner von der Frankfurter MobbingkontaktstelleHanno Gutmann / epd

Jeder neue Tag ein Kampf gegen die Angst vor der Arbeit – Mobbing im Berufsalltag kann für Betroffene dramatische Ausmaße annehmen. Lange Phasen der Krankheit und existenzielle Krisen sind sichtbare Zeichen – doch viele Menschen leiden im Stillen. “Frauen im Alter zwischen 40 und 55 Jahren machen den Großteil derer aus, die sich an uns wenden”, sagt Beatrix Wiesner von der Frankfurter Mobbingkontaktstelle. Diese gemeinsame Einrichtung des Gewerkschaftsbundes, mehrerer Einzelgewerkschaften und der beiden großen Kirchen unterstützt Betroffene seit 20 Jahren.

Allein im vergangenen Jahr suchten insgesamt rund 150 Frauen und Männer Rat – aus dem gesamten Bundesgebiet. Fast 20 Ehrenamtler engagieren sich im Netzwerk der Hilfe. “Je früher sich jemand an uns wendet, desto eher können wir zusammen etwas erreichen. Dann sind die Konflikte vielleicht noch nicht zu sehr eskaliert”, verdeutlicht Wiesner die Dringlichkeit.

Konflikt am Arbeitsplatz? Gespräche führen – Allianzen suchen

Als frühere Personalentwicklerin in der Finanzwirtschaft weiß sie um die möglichen Konflikte. “Das Wichtigste ist zu erkennen, dass man nicht alleine ist und wieder aus dem wahrgenommenen Tunnel herauskommen muss.

 

 

 

 

 

Nicht jeder Konflikt am Arbeitsplatz sei auch Mobbing, daher gelte es zunächst zu prüfen, was genau vorliegt. Hier könnten Gespräche mit vertrauten Personen, der Arbeitnehmervertretung oder internen wie externen Beratungsstellen helfen. Dabei gebe es nicht den einen Lösungsweg. Möglicherweise helfe Betroffenen ein Jobwechsel nachhaltiger als ein lang andauernder Kampf gegen feindliche Strukturen. Schließlich gilt in Deutschland immer noch das Motto: Arbeit ist das halbe Leben.

Das ehrenamtliche Team der Frankfurter Mobbing-Hilfe ist dienstags und donnerstags zur Feierabendzeit zwischen 17 und 19 Uhr telefonisch erreichbar. Es gelte zuzuhören und Verständnis für Anrufende in schweren Lebenslagen zu entwickeln, auch wenn man nicht immer unmittelbar helfen kann. “Wir retten hier keine Menschen”, betont Wiesner die persönlichen Grenzen für die Mitarbeiter der Mobbing-Hilfe.

Mobbing ist ein Angriff gegen Einzelne

Denn die entscheidenden Schritte für eine Veränderung der ungesunden Situation müssen die Betroffenen selbst wagen. Dafür sind mitunter auch schwierige Entscheidungen notwendig. Die Mobbing-Experten können dabei aber beraten.

Ergänzt wird deren Angebot durch einen Gesprächskreis, bei dem sich Betroffene gegenseitig stärken können. Diese Hilfen sind kostenfrei, die Finanzierung erfolgt über die beteiligten Projektpartner – und auch über Gerichtsentscheidungen. So können mit Geldauflagen verbundene Strafbefehle zu Gunsten der Mobbing-Hotline ausgesprochen werden.

Mobbing: Viele Männer versuchen, stark zu sein

Jörg Heuser, Referent für Arbeitswelt und Kirche beim Bistum Limburg, verdeutlicht: “Bei echtem Mobbing geht es darum, anderen ganz gezielt zu schaden.” Das erfolge durch ein systematisches Vorgehen. So würden etwa Kolleginnen oder Kollegen offensichtlich gemieden und von Informationen abgeschnitten. “Man wird zum Beispiel einfach beim Reden unterbrochen oder gleich sozial ausgegrenzt.”

Gerade Männer spürten einen hohen Druck, solchen Angriffen standzuhalten und vermeintlich stark zu sein. Oftmals seien sie Hauptverdiener und Familien auf ihr Einkommen angewiesen. Die Experten vermuten darin eine Ursache dafür, dass sich weniger Männer Hilfe holen. Statistisch gebe es keine Diskrepanz zwischen den Geschlechtern – Frauen wie Männer seien von Mobbing gleich betroffen.

Experte: Kein Arbeitsplatz ganz ohne Konflikte

Viele fühlten sich mit ihrem Beruf so sehr verbunden, dass sie lange versuchten, sich irgendwie zu arrangieren. Dies trifft nach Einschätzung der Experten gerade auf soziale wie kirchliche Einrichtungen zu, bei denen Betreuung sowie Zuwendung im Vordergrund stehen und es oft flache Hierarchien gibt – etwa in Kindertageseinrichtungen.

Heuser weist jedoch auch darauf hin, dass es keinen gänzlich konfliktfreien Arbeitsplatz gibt. Es gehe um die Frage, wie fair bei Meinungsverschiedenheiten miteinander umgegangen wird. Streit kommt also in den besten Firmen vor – Mobbing jedoch kann juristisch geahndet werden. Wenn es dafür Beweise gibt, die auch vor Gericht Bestand haben.

Expertin Wiesner: Tagebuch führen – Mobbing dokumentieren

“Wir raten immer, ein Tagebuch zu führen. Was ist wann wo passiert – und wer ist Zeuge davon”, zeichnet Expertin Wiesner die entscheidenden Fragen auf. “Ich muss als betroffene Person das strukturelle Mobbing nachweisen können.”