Wenn Kirche nach Zukunft schmeckt

Es hätte schiefgehen können, aber das Risiko hat sich gelohnt: Die Aktion „Taufe erleben“ in der Hanauer Neuen Johanneskirche hat viele Menschen angezogen; 13 haben sich taufen lassen.

Bedingungslos eingeladen: Die „Taufe to go“, hier in Oldenburg, wendet sich an Menschen, die Gottes Ja zu ihnen in ihrem Leben nachspüren möchten.
Bedingungslos eingeladen: Die „Taufe to go“, hier in Oldenburg, wendet sich an Menschen, die Gottes Ja zu ihnen in ihrem Leben nachspüren möchten.epd-bild/Joerg Nielsen

Tropfen für Tropfen rinnt das Taufwasser von der Nase der jungen Frau. Die Band spielt live den Song „You‘ve got a friend“ – auf Deutsch „Du hast einen Freund“ –, den sie sich für ihren Moment ausgewählt hat. Neben ihr am Taufbecken steht ihre Freundin und hat Tränen in den Augen.

Hätten wir nur eine dieser besonderen Begegnungen an diesem Tag gehabt, hätte sich der ganze Aufwand gelohnt, so waren wir Verantwortlichen uns einig. Im September 2022 haben wir in Hanau zu der Aktion „Für dich. Segen spüren. Taufe erleben“ eingeladen. Ein Risiko war das, denn ob jemand dieser Einladung folgen würde, wussten wir nicht. Umso schöner war es, als die ersten Täuflinge schon vor Beginn bei der Neuen Johanneskirche angekommen sind.

Wunsch-Musik bei jeder Taufe

Die meisten dieser Menschen hatten sich schon länger mit dem Gedanken an eine Taufe beschäftigt und als sie unsere Einladung im Radio hörten, war dies der Impuls, es jetzt wirklich zu tun. Viele Ehrenamtliche waren an diesem Tag in der Kirche, um für eine gastliche Atmosphäre zu sorgen, ein Willkommensgetränk anzubieten oder individuelle Taufkerzen für die Menschen zu gestalten. Die Menschen konnten sich den Ort für ihre Taufe selbst aussuchen: am Taufstein im großen Kirchenraum, etwas intimer im Turm oder mit Blick ins Grün im Garten.

Die Band „Baptistas“, wie sie sich an diesem Tag nannten, hatte eine Vielzahl von Songs einstudiert. Von dieser lebendigen Jukebox erklang bei jeder Taufe der Wunsch-Titel. Eine Gemeindesekretärin war vor Ort, die im Vorhinein die Formalitäten mit den Täuflingen regelte.

Auch Tauferinnerung möglich

Neben der Taufe haben wir auch zur Tauferinnerung eingeladen an diesem Tag. Menschen, die schon getauft sind, konnten in die Kirche kommen, sich ein Wasserkreuz in die Hand geben lassen und natürlich spielten die „Baptistas“ auch für sie. Es war berührend zu erleben, wie viele Menschen offenbar ein Bedürfnis danach haben, diesem Ja Gottes zu ihrem Leben nachzuspüren. 13 Taufen und neun Tauferinnerungen haben wir an diesem Tag in Hanau gefeiert.

Wir haben nicht danach gefragt, welche Voraussetzungen Menschen erfüllen müssen, um getauft werden zu können, sondern wir haben uns daran orientiert, was diese Menschen brauchen, um den besonderen Moment ihrer Taufe so zu erleben, wie es für sie passt.

Erleichtert gerade Erwachsenen den Zugang zur Taufe

Wenn von kritischen Stimmen gefragt wird, wo denn an diesem Tag die Gemeinde war, in die hineingetauft wird, dann erzähle ich von der Gemeinschaft, die an diesem Tag in der Neuen Johanneskirche entstanden ist. Ich erzähle von einander Unbekannten, die miteinander von dem sprechen, was ihnen am Herzen liegt, und dabei zusammen eine Taufkerze gestalten. Ich erzähle von denen, die geduldig auf ihre Taufe warten und dabei Anteil an der Taufe eines Anderen nehmen und der Musik lauschen.

Katharina Scholl ist Pfarrerin der Kirchengemeinde Großauheim bei Hanau.

 

Die Menschen sind an diesem Tag auf unterschiedliche Weise Teil einer Gemeinschaft geworden, die aus der Situation heraus und fluide um das Ritual der Taufe entsteht. Hier waren nicht die einen, die sich ihrer Sache sicher sind, mit den anderen zusammen, die nur tastend dazukommen. Hier hat sich eine einladende Kirche gezeigt, die bei der Taufe das Evangelium teilt und dabei etwas riskiert.

Das Votum der Ehrenamtlichen beim Nachtreffen war klar und deutlich: „Das machen wir wieder, gleich im kommenden Jahr!“ Wir vertrauen weiter darauf, dass diese Form gerade Erwachsenen den Zugang zur Taufe erleichtert. An solchen Tagen schmeckt es nach Zukunft in der Kirche.