Wenn eine Grafikerin pilgert

2.000 Kilometer will Felice Meer wandern, von Niedersachsen bis nach Norwegen. Ihre Tour hält sie in Comics fest – und veröffentlicht die Zeichnungen im Internet.

Am Wegesrand setzt sich Felice Meer gern hin und zeichnet
Am Wegesrand setzt sich Felice Meer gern hin und zeichnetOliver Dietze / epd

Puttgarden/Bad Bevensen. Felice Meer blickt durch das Restaurantfenster in Richtung Ostsee. Während die meisten Gäste im Freien Kaffee und Kuchen genießen, hat sie für einen Moment drinnen ihre Ruhe. „Ich bin ja Tag und Nacht draußen, anders als die meisten“, sagt die 56-Jährige. Gleich will sie sich wieder auf den Weg machen, zu Fuß über die Insel Fehmarn auf einem Pilgerweg, der sie bis ins norwegische Trondheim führen soll.

Am 27. Mai ist sie im niedersächsischen Bad Bevensen losgegangen. Ende August will sie mit dem Olavsweg den letzten Abschnitt bewältigt haben. „Es sind ja insgesamt nur 2.000 Kilometer“, sagt sie mit einem Schmunzeln. „Comiczeichnerin on Tour“ nennt Meer sich selbst. Was sie erlebt, hält sie in Zeichnungen fest, die sie über soziale Medien verbreitet: Sie ist auf Instagram und Facebook aktiv. Auf der Kreativen-Plattform „Steady“ können Unterstützer ihr zudem mit monatlicher Mitgliedschaft einen Kaffee, eine warme Mahlzeit oder ein gelegentliches Dach über dem Kopf ermöglichen.

„Das reicht!“

Vor einem Jahr ist Felice Meer schon einmal gepilgert. Da waren es 3.200 Kilometer, die sie auf dem Jakobsweg bis ins spanische Santiago de Compostela bewältigt hat. „Jetzt werde ich am Ende durch ganz Europa gelaufen sein“, sagt die Pilgerin. Dabei hatte sie sich eigentlich nach der ersten Mammut-Tour geschworen: „Das reicht!“

So sehen die Zeichnungen von Felice Meer aus
So sehen die Zeichnungen von Felice Meer ausOlaf Malzahn / epd

Nach Erfahrung des Beauftragten für die Region Norddeutschland der Deutschen St. Jakobus-Gesellschaft, Martin Gottschewski, macht sich der überwiegende Anteil der Pilgernden auch weitere Male, ja oft sogar regelmäßig auf den Weg. Die Gründe dafür seien so unterschiedlich wie die Menschen, sagt Gottschewski, selbst ein leidenschaftlicher Pilger. „Sie alle verbindet wohl eines, nämlich dass sie etwas für sich entdeckt und erlebt haben dürften, was ihnen gut tut und wichtig erscheint.“


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Für die selbstständige Grafikerin Meer war der erste Pilgerweg auch eine Chance in einer Zeit, in der die Corona-Pandemie sie beruflich zunächst komplett ausgebremst hat. „Jetzt bin ich auftragsmäßig gut über den Winter gekommen“, sagt sie. „Aber ich verpasse auch nichts.“ Es sei die Freude, unterwegs zu sein, die sie erneut losgetrieben habe. „Und es ist der Wunsch, das Anliegen, vielleicht auch der Auftrag, diese Freude mit Menschen zu teilen.“

„Menno“, der kleine Drache

Als „Menno“ in ihrem Comic-Blog wieder auftauchte, habe sie gleich ein positives Echo bekommen, erzählt Meer. „Menno“ ist ein kleiner Drache, der schon auf dem ersten Weg in den Bildergeschichten treuer Kumpane der Pilgerin war. Unterstützerinnen haben ihr zudem Zeichen der Anteilnahme mit auf den Weg gegeben, wie eine Kantorin mit einem Lied. „Heiliger Geist, trage uns weit“, stimmt Meer an und sagt dann: „Ich will ja ganz schön weit. Das Lied begleitet mich als ein Segen.“

Was sie erwartet, ist zum Teil ungewiss, immer noch auch wegen Corona. Nach Norwegen könne man derzeit noch nicht einreisen, sagt die Pilgerin. „Aber bis dahin ist es ja noch weit.“ Anders als vor einem Jahr zählt diesmal ein Ultraleicht-Zelt zu ihrer Ausstattung. Bei sechs Grad in der Nacht hat es sich schon bewährt, doch hat sie dennoch alles angezogen, was der Rucksack hergab: von Wollsocken bis zur Kapuze.

An norddeutschen Feldern entlang läuft Felice Meer
An norddeutschen Feldern entlang läuft Felice MeerOlaf Malzahn / epd

Über den Olavsweg in Schweden und Norwegen heißt es auf der Internet-Seite „Pilgern im Norden“, Entfernungen würden dort in Stunden gemessen. Angesichts von starken Steigungen und Gefälle sei ein Kilometer auf der Karte weniger, als die tatsächlich zurückgelegte Strecke. Felice Meer ist bei allen Unwägbarkeiten zuversichtlich. Ihre Abenteuer können andere im Comic miterleben. „Bisher hat Frau G. mich schon geleitet“, sagt sie. In den Comics ist Gott eine kullerrunde Frau mit grauen Haaren und einem rosa Kleid mit weißen Punkten – „Frau G.“.

Regelmäßig schickt die Grafikerin Zeichenblätter mit den Comics zu ihrer Frau nach Hause. Es bleibt der Plan, daraus einmal ein Buch zu machen. (epd)