Wenn Ältere aus dem Krankenhaus entlassen werden

Oft stehen alte Menschen nach der Entlassung aus dem Krankenhaus allein, dabei brauchen sie Hilfe. Warum das in anderen Ländern klappt – und in Deutschland nicht.

Nach der Entlassung aus dem Krankenhaus steuern ältere Menschen auf eine ungewisse Zukunft
Nach der Entlassung aus dem Krankenhaus steuern ältere Menschen auf eine ungewisse ZukunftImago / Rupert Oberhäuser

So etwas erleben ältere Menschen nicht selten: Eine Seniorin erleidet einen Oberschenkelhalsbruch. Nach der stationären Behandlung im Krankenhaus möchte sie gerne weiter selbstständig in der eigenen Wohnung leben. Doch dazu ist professionelle Hilfe nötig. Denn innerhalb kürzester Zeit muss das komplette Alltagsleben neu organisiert werden.

Wie stark Patienten und ihre Angehörigen dabei unterstützt werden, ist international sehr unterschiedlich. Doch Deutschland schneidet nicht gut ab, wenn es um einen reibungslosen Übergang und die Koordinierung von Gesundheitsversorgung und Pflege geht. Das haben Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der Uni Siegen und des Mannheimer Zentrums für europäische Sozialforschung herausgefunden. Für ihre Studie haben sie die Situation in Deutschland, Schweden, den Niederlanden und der Schweiz verglichen.

Keine klaren Zuständigkeiten

In der Bundesrepublik fehle es an funktionierenden Strukturen, qualifiziertem Personal und klaren Zuständigkeiten, so die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler. „In Deutschland ist es in erster Linie Aufgabe der Patientinnen und Patienten sowie ihrer Angehörigen, notwendige Pflegeleistungen nach einem Krankenhausaufenthalt zu organisieren“, erklärt der Siegener Gesundheitssoziologe und Leiter der Studie, Claus Wendt. Die einzige Schnittstelle zwischen stationärer und ambulanter Versorgung sei das Entlass-Management der Krankenhäuser. Jedoch stehe dort häufig zu wenig Zeit zur Verfügung.

Pro Jahr werden rund 19,5 Millionen Menschen in Deutschland stationär im Krankenhaus behandelt. Die durchschnittliche Verweildauer der Patienten hat sich – aufgrund eines neuen Abrechnungsmodells – von 12,6 Tagen im Jahr 1993 auf 7,2 Tage im Jahr 2021 deutlich verkürzt. Die Kehrseite: Nach Darstellung von Kritikern hat das in manchen Fällen aus wirtschaftlichen Gründen zu vorschnellen Entlassungen der Patienten geführt. Anschlussbehandlungen und Nachsorge sind nicht klar geregelt.

„Eine Zumutung“

Unter den aktuellen Bedingungen sei das deutsche System „für alle Beteiligten eine Zumutung“, sagt Wendt: Gerade ältere Menschen brauchten eine Vielzahl unterschiedlicher Hilfen – für viele ein durchsichtiger Dschungel. Wo gibt es Pflegedienste, und wo bekomme ich Gehhilfen oder Unterstützung im Haushalt?

Der Gesundheitssoziologe verweist etwa darauf, dass es in Deutschland kein digitales System gebe, in dem Pflegedienste und -Einrichtungen mit ihren Kapazitäten erfasst seien. „Dann haben Sie in einer Region zehn verschiedene Anbieter – wissen aber nicht: Wo sind noch Plätze frei?“ Erst langsam etablieren sich technische Systeme an einzelnen Krankenhäusern.

Laut Studie sind in keinem der drei Vergleichsländer Patientinnen und Patienten und ihre Familien so sehr auf sich gestellt wie in Deutschland. Das hiesige Gesundheitssystem solle sich ein Beispiel an den Nachbarstaaten nehmen.

Hausarzt ist zuständig

So gebe es beispielsweise in den Niederlanden und in Schweden ein klares Hausarzt-System: Der jeweilige Hausarzt sei für die Einweisung ins Krankenhaus zuständig – und werde informiert, sobald die Entlassung anstehe. Er sei dann auch automatisch in die Organisation der notwendigen Pflegeleistungen eingebunden, berichtet Wendt: „In Deutschland denken wir so gar nicht. Bei uns sind der ambulante und der stationäre Sektor strikt voneinander getrennt.“

Auch die Kommunen sind in anderen Ländern ins Entlassmanagement eingebunden. In der Schweiz etwa unterstützten sie ältere Menschen umfassend, um Pflegeleistungen, Einkäufe, Essen auf Rädern oder Behördengänge zu organisieren. In Deutschland bauen manche Kommunen Pflegestützpunkte auf. Aus Sicht der Wissenschaftler wären sie geeignet, solche Aufgaben zu übernehmen. „Leider gibt es die Stützpunkte noch nicht überall“, bedauert Wendt.

Auch an qualifiziertem Personal mangelt es hierzulande. So gibt es in Schweden und den Niederlanden so genannte „Nurse Practitioners“ – hoch qualifizierte Pflege-Expertinnen und -Experten, die als Angestellte der Kommunen (Schweden) oder der Sozialversicherungen (Niederlande) Lotsendienste übernehmen.