Wende in einem lange schwelenden Missbrauchsskandal
Seit Monaten belasten Missbrauchsvorwürfe von Ordensfrauen gegen einen prominenten Priester den Papst. Denn der Beschuldigte war Jesuit und mit Franziskus persönlich bekannt. Nun soll der Vatikan gegen Rupnik ermitteln.
Die Meldung kam am vorletzten Debatten-Tag der in Rom tagenden Weltsynode als Paukenschlag: Der Papst persönlich hat neue Ermittlungen gegen den früheren Jesuitenpater Marko Rupnik (68) angeordnet, teilte das vatikanische Presseamt am Freitagmittag mit. Während die Synode noch mit Änderungsanträgen zum Abschlussdokument rang, handelte Franziskus. Er tat das in einem Fall, der ihn seit langem belastet – auch weil es offizielle Fotos von ihm und dem Ex-Jesuitenpater gibt, den Ordensfrauen beschuldigen, er habe sie sexuell missbraucht.
Laut der Mitteilung vom Freitag hat der Papst persönlich die Verjährungsfristen im Fall Rupnik aufgehoben. Er beauftragte die vatikanische Glaubensbehörde mit der Untersuchung. Weiter heißt es in der Mitteilung: „Der Papst ist fest davon überzeugt: Wenn es etwas gibt, was die Kirche von der Synode lernen muss, ist es, aufmerksam und mitfühlend den Leidenden zuzuhören.“ Damit stellte der Papst seine überraschende Wendung als ein Ergebnis der Synode dar, bei der mehrere Male ein anderer Umgang der Kirche mit allen Arten von klerikalem Missbrauch angemahnt wurde.
Auslöser war offenbar eine Intervention der Päpstlichen Kinderschutzkommission. Diese hatte Franziskus im vergangenen Monat darauf hingewiesen, dass es schwerwiegende Probleme im Umgang mit dem Fall und mangelnde Nähe zu den Opfern gegeben habe. Die Kommission, die inzwischen auch für Missbrauch an Erwachsenen zuständig ist, hatte den Papst gedrängt, endlich etwas zu tun, damit die Opfer Gerechtigkeit erfahren.
Dass Franziskus jetzt handelte, nachdem der Skandal schon lange köchelte, lag auch an einer neuen Zuspitzung der Ereignisse. Am Rand der Synode wurde am Mittwoch bekannt, dass Rupnik, der 2020 für kurze Zeit exkommuniziert war und 2023 aus dem Jesuitenorden ausgeschlossen wurde, eine neue Stelle als Priester in Slowenien erhalten hat. Die Meldung sorgte international für Aufsehen.
Publik wurde der Fall Rupnik erstmals im Dezember 2022 durch italienische Medienberichte, die im Wesentlichen vom Jesuitenorden bestätigt wurden. Ermittlungsverfahren unter Leitung der Glaubensbehörde endeten demnach mit der Feststellung der Verjährung. In einem anderen Fall war Rupnik im Mai 2020 per Dekret der Glaubensbehörde exkommuniziert worden. Er soll eine der Frauen, die er zum Sex gedrängt habe, in der Beichte von dieser Tat losgesprochen haben. Noch im selben Monat wurde die Exkommunikation wieder aufgehoben. 2022 untersagten die Jesuiten Rupnik die öffentliche Ausübung des Priesteramts. Mitte Juni wurde er aus dem Orden ausgeschlossen, nachdem er Auflagen ignoriert hatte. Am Mittwoch wurde schließlich bekannt, dass er in der slowenischen Diözese Koper eine neue Stelle bekommen habe.Zuvor hatte das dem Papst direkt unterstehende Vikariat Rom den Fall nochmals untersucht und einen entlastenden Bericht zusammengestellt. Darin hieß es, es gebe erhebliche Zweifel an den Missbrauchs-Vorwürfen. Auch die Rechtmäßigkeit der Exkommunikation im Jahr 2020 zweifelte der Bericht an. Betroffene äußerten sich entsetzt, denn der Bericht trage dazu bei, den Beschuldigten zu rehabilitieren. Außerdem kritisierten betroffene Frauen, dass sich der Papst zwar mit einer Vertrauten von Rupnik getroffen habe, aber nicht mit ihnen.Die Päpstliche Kinderschutzkommission, die nun offenbar die Wende im Fall Rupnik bewirkte, besteht seit 2014; sie ist an das Glaubensdikasterium angegliedert. Laut ihrem Staut soll sie dem Papst „Initiativen vorschlagen, um die Verantwortung (…) für den Schutz aller Minderjährigen und gefährdeten Erwachsenen zu fördern“. Unter Leitung von Kardinal Sean O’Malley (Boston) besteht sie aus bis zu 18 Mitgliedern.
Die Irin Marie Collins, selbst Missbrauchsopfer und 2017 unter Protest aus der Kommission ausgetreten, hatte noch am Mittwoch im Netzwerk X geschrieben: „Es ist 2023 und nichts verändert sich in der katholischen Kirche. So viel Gerede und so wenig wirkliche Veränderung. Warum hören wir weiter zu bei diesen Plattitüden und Versprechungen?“ Dazu postete sie einen Zeitungsbericht, der die Wiedereinsetzung Rupniks als Priester in Slowenien schilderte.