Wem gehört der Schatz der „San Jose“ vor der Küste Kolumbiens?

Die Ladung einer vor mehr als 300 Jahren gesunkenen Galeone vor der Küste Kolumbiens ist Milliarden wert – und weckt Begehrlichkeiten. Nun melden auch Boliviens Indigene Ansprüche an.

Die Nachricht von dem Sensationsfund ging um die Welt: Vor gut neun Jahren wurde das Wrack der Galeone „San Jose“ vor der Küste der kolumbianischen Hafenstadt Cartagena entdeckt. Laut Expertenschätzungen riss das Schiff vor mehr als 300 Jahren mindestens 200 Tonnen Gold, Silber und Smaragde mit in die Tiefe. Geschätzter Wert der Fracht: mehrere Milliarden US-Dollar. Kolumbiens damaliger Präsident Juan Manuel Santos sprach seinerzeit vom „wertvollsten Schatz, der je in der Geschichte der Menschheit gefunden wurde“.

Neben der archäologischen Bedeutung des Fundes gibt es auch eine Debatte darüber, wem der Schatz auf dem Meeresboden gehört, wenn er denn irgendwann mal gehoben werden sollte. Ansprüche stellen die Spanier, unter deren Flagge das Schiff einst fuhr; die Kolumbianer, von deren Hafen die „San Jose“ auslief – und seit kurzem auch das indigene Volk der Qhara Qhara aus Bolivien.

„Viele Dinge sind aus unseren Dörfer verschwunden. Dinge, die unseren Vorfahren heilig waren, wurden geplündert und in Münzen oder Barren umgewandelt, die dann verschifft wurden“, beklagt Indigenen-Sprecher Samuel Flores. In dem gefundenen Wrack befänden sich Güter, die ehemalige Kolonialherren seinem Land entzogen hätten. Tatsächlich machte der legendäre Silberreichtum das bolivianische Potosi im frühen 17. Jahrhundert zu einer der reichsten Städte der Welt. Die meisten Schätze gelangten über den Atlantik nach Spanien – mit Schiffen wie der „San Jose“.

Deshalb ist der Umgang mit dem Fund auch eine politische Frage – und der Blick auf die Geschichte des Schiffes von zentraler Bedeutung. Nach bislang vorliegenden Informationen sollten die Schätze an Bord der „San Jose“ 1708 auf dem Weg von den spanischen Kolonien an den Hof von König Philipp V. gebracht werden. Die Ladung stammte demnach aus verschiedenen Regionen Lateinamerikas – was die Sichtweise der Qhara Qhara stützen würde.

In der Nacht des 7. Juni 1708 wurde das Schiff mitsamt seiner Fracht laut historischen Aufzeichnungen von der britischen Flotte versenkt. Berichten zufolge wurden 578 Seeleute, Soldaten und Passagiere getötet; nur 11 Überlebende konnten gerettet werden.

Der Fall ist auch deshalb brisant, weil er den Fokus auf eines der Themen lenkt, die das Verhältnis zwischen Europa und Lateinamerika bis heute trüben. Die Plünderung der Ressourcen durch die europäischen Kolonialmächte, insbesondere Spanien und Portugal, ist in Lateinamerika ein anhaltendes Trauma. Immer mehr Stimmen fordern Entschädigungen für einst erlittenes Unrecht. Dass die Spanier nun – gemäß internationalem Recht – Anspruch auf den Schatz erheben, ist für viele Lateinamerikaner ein unfassbarer Affront.

Zu Jahresbeginn kam neue Bewegung in den Fall. Kolumbiens Kulturministerium kündigte im Februar an, 18 Milliarden Pesos (umgerechnet etwa 4,25 Millionen Euro) in eine erste Kampagne zur Hebung der Fracht zu investieren. Die kolumbianische Marine soll demnach zwischen April und Mai mit der Suche und Bergung von Schätzen aus dem Wrack beginnen. Laut diesen Plänen soll irgendwann in der Zukunft ein Museum in Cartagena das Wrack beherbergen. Bogota bezeichnet das gesunkene Schiff mit seinen Reichtümern schon jetzt als „nationalen Kunstschatz“.