Welche Nahrung wollen wir?
Über den Predigttext zum Erntedankfest: Markus 8,1-9
Predigttext
1 In jenen Tagen ist wieder viel Volk da und sie haben nichts zu essen. Da ruft er die Jünger herbei und sagt zu ihnen: 2 Das Volk tut mir leid, denn drei Tage sind sie schon bei mir und haben nichts zu essen. 3 Und wenn ich sie hungrig nach Hause gehen lasse, werden sie unterwegs zusammenbrechen, einige von ihnen sind ja von weit her gekommen. 4 Und seine Jünger antworteten ihm: Wie sollte einer diese Leute mit Brot satt machen können hier in der Einöde? 5 Und er fragte sie: Wie viele Brote habt ihr? Sie sagten: Sieben. 6 Da fordert er das Volk auf, sich zu lagern. Und er nahm die sieben Brote, sprach das Dankgebet, brach sie und gab sie seinen Jüngern zum Verteilen, und die verteilten sie unter das Volk. 7 Sie hatten auch ein paar Fische, und er sprach den Lobpreis über sie und ließ auch diese verteilen. 8 Und sie aßen und wurden satt. Und sie sammelten die übrig gebliebenen Brocken, sieben Körbe voll. 9 Viertausend waren es gewesen. Und er entließ sie. (Zürcher Bibel)
Die Erzählung von der Speisung der Viertausend hat für mich einen Anfang, der in der Einöde stattfindet und ein Ende, das voll Vertrauen und Segen ist.
Zunächst der Anfang: Das Volk ist seit drei Tagen bei Jesus in der Einöde und hat nichts mehr zu essen und zu trinken. So schaffen sie den Rückweg nicht. Die Jünger wissen keinen Rat. Und Jesus erkundigt sich nach den Vorräten. Es reicht nie und nimmer.
Jetzt kommt die Wendung zwischen Anfang und Ende: Das Volk soll sich lagern. Vor aller Augen nimmt Jesus das Brot, dankt dem Vater dafür, bricht es und gibt es den Leuten zum Verteilen. Ebenso die Fische. Alle werden satt und es gibt sogar Überschuss.
Im Anfang wird die Aussichtslosigkeit deutlich. Das Innehalten (lagern) und das Gebet erweitern den Blick auf die Situation.
Erntedank ist die Möglichkeit im Jahr, die Ebene des Dankens, des Gebets und Gottes Wirkens in unserer Welt wieder zu entdecken.
Ähnlich wie in der Geschichte sagen wir uns: Wie und wovon sollen wir uns ernähren? Unsere Landwirtschaft produziert so viel, dass wir die Erzeugnisse in alle Welt verkaufen und für uns in aller Welt einkaufen. Aber dieses Handeln gerät an Grenzen: Außergewöhnliche Trockenzeiten, Umweltbelastungen durch eine zu hohe Viehdichte, die Organisation der Viehzucht und Schlachtung und Vermarktung wie in der Industrie, anscheinend unbelehrbare Verbraucher, ein Einzelhandel, der nicht von seiner Werbung mit billig-billig abzubringen ist.
Dazu kommt die Auseinandersetzung zwischen Alles-Essern, Vegetariern und Veganern. Und denen, die uns an fair erzeugte Produkte erinnern. Es ist irgendwie aussichtslos, zu einer gesamtgesellschaftlichen Haltung zu gelangen. Und schon gar nicht in überschaubarer Zeit.
Wieviel Wertvolles kann da der Moment bringen, in dem man anhält, sich darauf besinnt, was man hat und wie man es verwenden könnte. (Jesus lässt das Volk sich lagern.) Und man entdeckt, dass vieles ein Geschenk ist, das Dank verdient. Das saubere Wasser aus dem Hahn, ein Land mit Frieden trotz vieler Probleme, Menschen, die füreinander eintreten.
Das Danken wird zum Anstoß für ein anderes Denken. Denn, wenn Erntedank ohne Folgen bleibt, dann kann man es auch sein lassen.
In den vielen Auslegungen zu diesem Text findet man auch diese: Das Gebet Jesu habe die Menschen dazu gebracht, in ihren Taschen und Körben nach Vorräten zu suchen und man begann, zu teilen. Klar, das ist kein so tolles Wunder wie eine „wunderbare Brotvermehrung“. Aber ein Wunder wäre es doch auch, wenn durch Teilen Weniges für viele reicht.
Übrigens: In der Geschichte werden die realistischen Jünger und Jesus nicht gegeneinander ausgespielt. Vielmehr haben beide Seiten ihr Recht und keine kommt ohne die andere aus. Ohne die Erkenntnis, dass wir Teil der Schöpfung sind, läuft unser Handeln auf reine Ausbeutung hinaus. (Und in vielen Bereichen des Wirtschaftens läuft das so.)
Andererseits wird ohne das fachliche Wissen und Tun unser Handeln schlimmstenfalls ergebnislos. Beide Seiten müssen verschränkt bleiben in unserm Denken und Tun. Erntedank ist mehr als ein Datum im Kirchenjahr, vielmehr ein mitlaufender Erinnerungsposten, wie zum Beispiel im Tischgebet. Wenn es denn Ausdruck einer dankbaren Haltung ist.
In der Einöde dieser Welt ist ein anderes Handeln und Denken möglich. Wir als Kirche wissen davon, deshalb müssen wir der Mahner, Motor und Mittler dieses anderen Denkens bleiben.