Weitere Tote durch Polizeigewalt bei Protesten in Kenia

Bei Protesten gegen die Regierung in Kenia sind erneut mehrere Menschen von der Polizei erschossen worden. In der westlichen Stadt Rongai seien am Donnerstag mindestens drei Personen durch die Gewalt der Sicherheitskräfte gestorben, darunter ein Kind, berichteten lokale Medien am Donnerstagabend. Um die friedlichen Demonstrantinnen und Demonstranten auseinanderzutreiben, hatte die Polizei mit scharfer Munition geschossen, wie die Zeitung „Nation“ berichtete. Mehr als 50 Menschen wurden laut dem TV-Sender Citizen festgenommen. Sie sollen sich nach Auflösung der Proteste an Plünderungen beteiligt haben.

Auslöser für die Demonstrationen ist eine Steuerreform, die unter anderem höhere Abgaben für Lebensmittel vorsieht. Das Parlament hatte sie am Dienstag verabschiedet, worauf die Proteste eskalierten und Menschen bis in das Parlament vordrangen. Seitdem ist nicht nur die Polizei, sondern auch das Militär in den Straßen zahlreicher Städte im Einsatz.

Das Hohe Gericht in der Hauptstadt Nairobi entschied am Donnerstagabend, der Einsatz der Armee sei nötig gewesen, um Ordnung, Frieden und nationale Sicherheit zu wahren. Die nationale Anwaltskammer hatte gegen den Militäreinsatz im Inland geklagt. In dem Urteil wird die Regierung aufgefordert, die Dauer und die Bedingungen des Einsatzes öffentlich zu machen.

Am Freitagvormittag war die Lage zunächst ruhig, die Läden hatten wieder geöffnet. Sicherheitskräfte patrouillierten weiter auf den Straßen. Ob und wann die Proteste weitergehen, war unklar.

Am Donnerstag waren tausende Menschen in vielen Städten in Kenia zum vierten Mal innerhalb von zwei Wochen auf die Straße gegangen, um ihrem Unmut gegenüber der Regierung Ausdruck zu verleihen. Präsident William Ruto hatte zwar am Mittwochabend erklärt, er werde das Steuergesetz nicht in Kraft setzen. Doch viele trauen ihm nicht, werfen seiner Regierung Korruption und Verschwendung vor. Die Menschen fordern seinen Rücktritt und die Bestrafung derjenigen, die für den Tod von über 20 Protestierenden durch Polizeigewalt verantwortlich sind.

Aktivistinnen und Aktivisten versuchen unterdessen den Familien der Opfer zu helfen. Nach eigenen Angaben haben sie bereits mehr als umgerechnet 180.000 Euro Spenden gesammelt, mit denen Krankenhausrechnungen und Beerdigungskosten gedeckt werden sollen.

Ein Grund für die Unzufriedenheit ist auch, dass große Teile der kenianischen Steuergelder für Zinsen und Rückzahlungen von Krediten eingesetzt werden. Nach Einschätzung der deutschen Initiative „Erlassjahr“ sind die hohen Auslandsschulden und der Umgang mit diesen unter anderem durch den Internationalen Währungsfonds eine Ursache für die aktuellen Entwicklungen in dem ostafrikanischen Land. Sie forderte deshalb die Streichung von Schulden, denn diese würden auf Kosten der Bevölkerung abbezahlt. Die Kampagne sieht auch die Bundesregierung in der Pflicht, die sich im Koalitionsvertrag auf Schuldenerlasse verständigt habe.