Weite, Wind und Wasser: Pilgern in Schleswig-Holstein

Gewohnte Pfade verlassen, den Alltag unterbrechen, sich auf das Wesentliche besinnen: Pilgern ist oft eine Wanderung zu sich selbst. Sie packt eingefleischte Christen, aber auch Menschen, die mit Religion nicht viel am Hut haben. Sich resetten, innehalten, ohne Stress und Hast – ein Grundbedürfnis, das viele umtreibt.

Wer pilgern will, muss aber nicht gleich rund 3.000 Kilometer in den spanischen Wallfahrtsort Santiago de Compostela laufen, wo die sterblichen Überreste von Pilger-Patron Jakobus begraben sein sollen. Für Norddeutsche reicht schon ein Ausflug nach Usedom, Schleswig oder Eutin.

Bei der Gesundheitswanderung um den Großen Eutiner See bietet ein 8,6 Kilometer langer Rundweg zahlreiche Aussichten auf den See, das Schloss und den Schlossgarten. Mit dem Smartphone können per QR-Code geführte Meditationen herunterladen und so Pause von Termindruck, Ärger und Sorgen gemacht werden.

Auch der Ansgarweg in Haddeby bei Schleswig ist mit 3,5 Kilometern gemütlich an einem Sonntagnachmittag zu schaffen. Die elf Stationen laden ein, mit Impulsen, Übungen, Fragen und Bibelversen durch das Welterbe Haithabu und Danewerk zu pilgern.

Wer eine größere Runde drehen will, dem empfiehlt der Pilgerpastor der evangelischen Nordkirche, Frank Karpa, den 600 Kilometer langen Jakobsweg Via Baltica. Der führt von Usedom über Greifswald, Rostock, Lübeck und Hamburg über die Elbe bis nach Bremen. „Besonders das Stück zwischen Lübeck und Hamburg ist sehenswert“, sagt Karpa. Hinter Lübeck führt er an der Trave entlang über den Herrenteich in Reinfeld bis nach Bad Oldesloe und über einen Bohlenweg durch das Brenner Moor.

Naturidylle trifft dort auf die Geschichte der Hansestädte Lübeck und Hamburg. Zur Übernachtung stellen einige Privatleute in Bad Oldesloe ihre Couch zur Verfügung. Auch im katholischen Kloster Nütschau und in der Pilgerherberge an St. Jacobi in Lübeck können Pilger einkehren.

Der raue Charme der Nordsee ist auf dem rund 100 Kilometer langen Nordseeküsten-Pilgerweg, der von Lunden in Dithmarschen bis an die dänische Grenze führt, zu erleben. Er besticht durch flache, weite Abschnitte zwischen den einzelnen Orten. Etliche Kilometer wird auf dem Deich Richtung Norden gewandert, wo einem der Wind auch mal ordentlich ins Gesicht pfeifen kann.

Wer lieber mit dem Fahrrad unterwegs ist, kann auf dem 530 Kilometer langen Mönchsweg zwischen Fehmarn über Glückstadt nach Bremen in die Pedale treten. Der Weg folgt den Spuren der Mönche, die das Christentum im Mittelalter in den Norden brachten. Er führt an jahrhundertealten Kirchen vorbei, deren Türme bis heute die norddeutsche Landschaft prägen. So liegen etwa auch die St. Jacobi-Kirche von 1149 in Bornhöved und die St. Petri-Kirche von 1150 in Bosau auf dem Weg, die zu den ältesten Kirchen in Schleswig-Holstein gehören.

Interessierte, die Hilfe bei der Planung ihrer Pilgertour brauchen, können sich an das Pilgerzentrum der evangelischen Nordkirche an der St. Jacobi-Kirche in Hamburg wenden, wo auch Pilgerpastor Frank Karpa sein Büro hat.

Er rät dazu, Pilgerrouten vorab gut zu organisieren. Dennoch sollte die innere Freiheit bewahrt werden, sich auch mal von seinen Plänen zu lösen. „Oft passiert genau da, wo etwas ungeplant oder unerwartet geschieht, etwas Besonderes“, erklärt er.

Im Internet finden sich viele Blogs und Portale, die Informationen rund ums Pilgern bieten. Oft geht es dabei auch um die richtigen Schuhe, praktikable Packlisten und den passenden Rucksack, dessen Gewicht bei längeren Touren zehn Kilogramm nicht überschreiten sollte. Auch Karpa rät dazu, sich genau zu überlegen, was eingepackt werden muss. Da könne der bekannte Song der Popband Silbermond Vorbild sein, in dem eine Textzeile lautet: „Es läuft sich besser mit leichtem Gepäck“.