„Weil ich hier gerne arbeite“

Menschen mit Handicap in den Arbeitsmarkt bringen – dieses Ziel haben sich die Iserlohner Werkstätten gesetzt. Das Tochterunternehmen der Diakonie Mark-Ruhr beschäftigt derzeit 165 Menschen auf einem Einzel- oder Gruppenaußenarbeitsplatz

Yamna Zaimi (30) ist voll in ihrem Element. Im Geburtstagskindergarten Menden, wo sie als Kindergartenhelferin arbeitet, ist gerade Spielzeit. Der vierjährige Michael hat ein Kartenspiel entdeckt und geht schnurstracks auf Yamna zu. Beide setzen sich an einen Tisch. Sie breiten die Karten großflächig vor sich aus. „Weißt du, wie das geht oder soll ich es dir zeigen?“, fragt Yamna. Michael schüttelt leicht mit dem Kopf und legt los. Das Spiel funktioniert so ähnlich wie Memory. Immer zwei Karten passen zusammen. Die ersten Spielpaare findet Michael ganz alleine. Dann nimmt er eins, guckt sich das Bild an und weiß nicht so richtig, was er jetzt greifen soll. Dann kommt Nico dazu und will ihm die Lösung verraten. Doch Yamna hält ihn zurück: „Warte, er muss es selber finden.“

Memory spielen im Kindergarten

Yamna ist einer von aktuell 165 Menschen, die auf einem Einzelaußenarbeitsplatz oder Gruppenaußenarbeitsplatz der Iserlohner Werkstätten, einem Tochterunternehmen der Diakonie Mark-Ruhr, beschäftigt sind. Im Kindergarten hat Yamna ihren Platz gefunden.
Szenenwechsel: Silas Büenenfeld (28) steht an der großen Konfektionsmaschine der Firma Poly-Pack, die in Iserlohn-Kalthof Folienverpackungen herstellen. Der hagere, junge Mann mit dem festen Blick, Kinnbart und einigen Tattoos auf den Armen, drückt auf den Start-Knopf. Die Maschine setzt sich in Bewegung. Die Bänder beginnen zu laufen.
Im Abstand von wenigen Sekunden „spuckt“ die Maschine haushaltsübliche Müllbeutel aus. Silas nimmt die fertigen Müllbeutel, legt sie ordentlich übereinander. Dann faltet er die Beutel zwei Mal, dreht sich um und legt sie in einen Karton. Wenn der Karton fertig gepackt ist, verklebt und etikettiert er ihn. „Ich muss auch prüfen, ob die Nähte richtig halten“, sagt Silas, nimmt einen Beutel, fasst hinein und drückt kräftig. Die Naht hält. Gut. Denn die Maschine läuft. Und anhalten geht auch nicht immer. „Manchmal ist es zeitlich richtig eng“, sagt Silas. Und weiter geht’s.
Auch wenn Silas einer ganz anderen Arbeit nachgeht als Yamna – haben die beiden etwas gemeinsam. Auch Silas arbeitet auf einem der so  genannten Außenarbeitsplätze der Iserlohner Werkstätten.
Seit ihrer Gründung vor 50 Jahren haben es sich diese Werkstätten zum Ziel gesetzt, Menschen mit Handicap individuell mit einem geeigneten Arbeitsplatz und Arbeitsumfeld zu fördern. Das geschieht in den Werkstätten an fünf Standorten in Iserlohn, Hemer und Menden mit bereits mehr als 1000 Arbeits- und Qualifizierungsplätzen. Vor zehn Jahren entwickelte sich mit den Außenarbeitsplätzen für Menschen mit Handicap zudem ein neuer Bereich, der immer weiter wächst.  

Das Praktikum hat Yamna viel Freude gemacht

„Vor sieben Jahren haben die Iserlohner Werkstätten mich gefragt, ob ich mir vorstellen kann, hier im Kindergarten zu arbeiten“, sagt Yamna, die noch immer neben dem kleinen Michael vor dem Memory-Spiel sitzt. Um zu testen, ob und wie das geht, hatte die temperamentvolle junge Frau mit marokkanischen Wurzeln ein Praktikum im Geburtstagskindergarten gemacht. Danach stand für sie fest: Ja, das ist was. Seitdem arbeitet sie hier. Und fühlt sich sichtlich wohl: „Es gefällt mir hier sehr gut“, sagt sie und ein breites Lächeln huscht über ihr Gesicht.
„Anfangs war es schon schwer“, sagt Yamna rückblickend. Da gab es viele neue Abläufe, die sie sich merken und mit denen sie erst einmal vertraut werden musste. Das brauchte viel Aufmerksamkeit. Jetzt hat sich das eingespielt. Und wenn sie einmal Unterstützung braucht, kann sie sich an ihre Kolleginnen in der Kita wenden, weiß Yamna.
Oder an ihren Integrationsbegleiter der Iserlohner Werkstätten, der sie in der Regel einmal in der Woche besucht. Yamna ist seit mehr als 17 Jahren bei den Iserlohner Werkstätten, hier hat sie zudem ihre Ausbildung in der Elektromontage gemacht.

Silas nimmt gern längere Fahrtzeiten in Kauf

Auch Silas ist schon länger bei den Iserlohner Werkstätten. Seit anderthalb Jahren hat er den Arbeitsplatz bei Poly-Pack. Dafür nimmt er einiges auf sich. Denn im Kalthofer Industrieunternehmen wird regulär in zwei Schichten gearbeitet: Früh- und Spätschicht. Und Silas macht hier keine Ausnahme. Die Schwierigkeit ist, dass Silas kein Auto fährt und auf den öffentlichen Nahverkehr angewiesen ist. Hinzu kommt, dass er auf dem Dorf wohnt und die Verbindung von Bredenbruch (bei Ihmert) nach Kalthof nicht die einfachste ist: Mehrmaliges Umsteigen und lange Fahrzeiten sind die bittere Folge. Aber Silas bleibt bei Poly-Pack: „Weil ich hier gerne arbeite“, antwortet er. Dann guckt Silas auf die Uhr, sagt: „Das reicht doch, oder?“ und geht wieder an die Maschine.
Die Iserlohner Werkstätten möchten mit den ausgelagerten Arbeitsplätzen für motivierte und qualifizierte Menschen mit Handicap eine Öffnung in Richtung Ersten Arbeitsmarkt ermöglichen. Sieben Menschen konnten durch diese Ausrichtung in den letzten Jahren erfolgreich auf den regulären Arbeitsmarkt vermittelt werden. Silas und Yamna ist es zu wünschen, dass auch sie einmal dazugehören werden.