Wegbereiter der Moderne

Im wirklichen Leben sind sie sich wohl nie begegnet, doch nun kommen die beiden großen Schlüsselfiguren der modernen Malerei zumindest posthum in einer neuen Ausstellung zusammen. Das Von der Heydt-Museum in Wuppertal zeigt ab Sonntag rund 200 Werke von Pablo Picasso (1881-1973) und Max Beckmann (1884-1950). Es ist eine Werkschau der besonderen Art: „Eine Gelegenheit, ihre Arbeiten auf breiter Basis und im Rahmen einer Ausstellung im Dialog miteinander zu erleben, gab es bisher noch nicht“, sagte Museumsdirektor Roland Mönig am Donnerstag bei der Vorstellung nicht ohne Stolz.

Warum aber Picasso und Beckmann zusammen, dazu noch versehen mit dem Untertitel „Mensch – Mythos – Moderne“? Mönig hat darauf eine klare Antwort: „Mit ihren Werken haben sie unseren Blick auf die dramatische erste Hälfte des 20. Jahrhunderts geprägt wie wohl kein Künstler neben ihnen.“ Für beide habe dabei stets der Mensch im Mittelpunkt gestanden, seine Schicksale und seine Leidenschaften.

Dazu lässt die Ausstellung den Betrachter in eine breite Fülle von Meisterwerken eintauchen, die Gaukler, Arme und Ausgegrenzte ebenso thematisieren wie Stillleben, Landschaften und natürlich den Blick auf die Frauen – mit bedeutenden Unterschieden, wie Mönig erläutert: „Beckmann verstand die Frau als Gegenbild des Mannes: in sich ruhend und selbstgewiss.“ Picasso dagegen habe die Frau eher als Motiv gesehen, das ihm Anlass für formale Experimente vom Kubismus bis zur „zügellosen Malerei“ des Spätwerks geboten habe.

Mit Motiven und Bildern aus Legenden und Mythen schufen Beckmann und Picasso zudem bedrückende Sinnbilder für die Krisen und Brüche des 20. Jahrhunderts. Da ist zum Beispiel Beckmanns „Prometheus“ (Der Hängengebliebene) von 1942: hilflos an einer Wand hängend muss die griechische Sagengestalt ertragen, wie ihm ein Vogel immer wieder in die Leber hackt, während sich die Figuren darunter der Völlerei hingeben – ein bitterer Kommentar zur NS-Zeit, in der Menschen ermordet wurden, während andere ihr Leben weiterführten wie bisher.

Picasso nimmt sich den antiken „Raub der Sabinerinnen“ (1962) vor und schafft damit vor dem Hintergrund der Kubakrise eine Anklage gegen sinnlose Gewalt – nicht anders als schon sein berühmtes Werk „Guernica“ von 1937, mit dem er die Kriegsverbrechen im Spanischen Bürgerkrieg anprangerte.

Die zu Kunst verschlüsselte Wirklichkeit bei Beckmann und Picasso ist mit den Lebensläufen der beiden Künstler untrennbar verbunden. Beckmann erlebte den Schrecken des Ersten Weltkriegs als Sanitäter an der Front, während der NS-Zeit musste er Deutschland verlassen und lebte daraufhin die meiste Zeit in Amsterdam. Im Jahr 1947 ging er in die USA. Picasso verließ seine Heimat im spanischen Bürgerkrieg und ging nach Paris, wo er 1944 Mitglied der Kommunistischen Partei Frankreichs wurde und es bis zum Ende seines Lebens blieb.

Für die Kuration der breit angelegte Ausstellung arbeitete das Von der Heydt-Museum mit dem Sprengel Museum in Hannover zusammen, wo sie im kommenden Jahr zu sehen sein wird. Leihgaben kommen darüber hinaus aus dem Centre Pompidou und dem Musée Picasso in Paris, dem Kunstmuseum Basel, den Bayerischen Staatsgemäldesammlungen in München sowie aus Privatbesitz.

Mit der Ausstellung, die bis einschließlich 7. Januar läuft, ist das Von der Heydt-Museum auch Teil des internationalen Projekts „Celebration Picasso 1973-2023“, das in diesem Jahr an den verschiedenen Standorten in Europa und den USA an den 50. Todestag des Künstlers erinnert. In Deutschland ist daran außerdem das Kunstmuseum Pablo Picasso in Münster beteiligt.