Weg zu einem „deutschen Islam“?

Ein Islam, der seine Tradition bewahrt und trotzdem das Grundgesetz anerkennt. Wie das gehen kann, darüber soll ab Herbst diskutiert werden. Die Meinungen sind schon jetzt geteilt

BERLIN – Das Bundesinnenministerium will die Deutsche Islamkonferenz (DIK) nach der Sommerpause neu aufstellen. Dabei sollten die deutschen Muslime einen Islam definieren, „der zu Deutschland gehört“; dies müsse ein „deutscher Islam“ sein, „und zwar auf dem Boden unserer Verfassung“, sagte Staatssekretär Markus Kerber der „Bild“-Zeitung. Zugleich betonte er: „Wir müssen viel stärker als bisher die Vielzahl der in Deutschland noch nicht organisierten muslimischen Mitbürger ins Zentrum der Islamkonferenz stellen.“

Während der Vorsitzende des Zentralrats der Muslime in Deutschland, Aiman Mazyek, die Ankündigungen als positives Signal wertete, sprach der Vorsitzende des Islamrats, Ali Kizilkaya, von einer Anmaßung des Staates. Integrationsstaatsministerin Annette Widmann-Mauz (CDU) und SPD-Fraktionsvize Eva Högl begrüßten die Wiederaufnahme der DIK. Kritisch äußerte sich hingegen die Obfrau der Grünen im Innenausschuss, Filiz Polat.

Kritische Stimmen zulassen

Nach Kerbers Ausführungen sollen vermutlich im November auch wieder Einzelpersonen als Mitglieder zugelassen werden, und zwar „sicher auch kritische muslimische Stimmen zum Islam“. In der 2017 abgelaufenen Arbeitsphase der DIK waren nur Vertreter der Islamverbände vertreten. Nach Angaben einer Ministeriumssprecherin werde es vermutlich keine feste Mitgliedschaft mehr geben, sondern eine flexible und themenorientierte Zusammensetzung.

Dass die Regierung die deutschen Muslime in den Mittelpunkt stellen wolle, könnte einen Paradigmenwechsel andeuten, sagte Mazyek auf Anfrage. Bislang habe es viele Versuche aus dem In- und Ausland gegeben, die Muslime in Deutschland nach ethnischer Zugehörigkeit zu spalten und arabische, türkische und Muslime anderer Herkunft gegeneinander auszuspielen. Kizilkaya reagierte hingegen mit scharfer Kritik. „Zwei Mal Islam mit Salami und Vorderschinken ohne Knoblauch. Dazu noch zwei Weizen bitte! Innenministerium bestellt Islam nach Wunsch. Was für eine Anmaßung“, hieß es in einem Tweet.

Respekt vor den religiösen Traditionen

Widmann-Mauz sagte: „Es ist gut, dass die Debatte um einen deutschen Islam jetzt ins Zentrum gerückt wird, schließlich geht es um das gute Zusammenleben in Deutschland.“ Wichtig sei, dass auch junge Muslime und Frauen eine Stimme erhielten. Högl begrüßte besonders, dass auch Einzelpersonen eingeladen werden sollen, die die Vielfalt des Islam in Deutschland repräsentierten. „Wir wollen unsere Gesellschaft gemeinsam gestalten – auf der Basis des Grundgesetzes und mit Respekt vor kulturellen und religiösen Traditionen“, sagte sie dem „Kölner Stadt-Anzeiger“. Polat sprach von einem „Rückschritt“, da die Pläne den bereits in der Vergangenheit geführten Streit um die Besetzung der Islamkonferenz wieder aufwärmten. KNA