Ordnung auf den Prüfstand stellen

Über Regelungen und Ordnungen, die das kirchliche Leben nicht reicher machen. Ein Kommentar.

Christina-Maria Bammel, Pröpstin der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz
Christina-Maria Bammel, Pröpstin der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische OberlausitzFotostudio Kauffmann

Kennen Sie die Rubrik „Was mein Leben reicher macht“ in einer ­prominenten Wochenzeitung? Was Menschen dankbar macht und berührt, also anders reich macht, findet dort einen Platz. Was macht vielleicht das Leben (in) der Kirche reicher? Schon die Frage kann ein Anfang sein: mal nicht gleich wieder danach bohren, was gerade wo weniger wird oder uns womöglich ärmer macht, sondern schauen, was wächst, vielleicht auch verwegen und wild, neue Initiativen zum Beispiel, die zu regionalen Netzwerken werden oder zu neuen kirchlichen Orten. Kann kirchliches Leben bereichern, wenn es nicht als Konkurrenz gesehen wird.

Von wegen Reichtum: Wir haben die Prognosen zu sinkenden Mitgliederzahlen, aufwühlende Zahlen zu Kirchenaustritten, dazu Namen und Geschichten der Austretenden vor Augen. Wir haben auch die Mediendebatten zum absehbaren Ende von Staatsleistungen zugunsten der Kirche vor Augen. Die Zahlungen von Geldern also, womit unsere Kirche für zurückliegende Enteignungen entschädigt wird. Denn hätte die Kirche damals Land und anderes behalten, würden heute mit Pacht- und Mieterträgen gewisse Summen erwirtschaftet werden. Die Staatsleistungen kompensieren nur etwas davon. Noch. Lässt sich da überhaupt noch vom Reicher-Werden geschweige denn vom Reichtum des kirchlichen Lebens reden?

Kaum jemand wird ernsthaft meinen, dass Kirchliches Leben ­dadurch reicher werden wird, dass wir es neu ordnen und regeln. Wir werden nicht reicher durch mehr andere oder noch feinere Regelungen. Wir brauchen nicht noch mehr Hürden und Vorgaben für Menschen, die ein Leben suchen, das sie reicher macht und bei ihrer Suche auf die Kirche treffen. Arm wäre es, wenn wir aus lauter Sorge um den Erhalt des kirchlichen Lebens an allem Bisherigen genauso festhielten. Es ist an der Zeit, dass wir bisherige Regelungen etwa der „Ordnung des Kirchlichen Lebens“ beherzt insgesamt auf den Prüfstand stellen. Am besten ohne gegenseitige Unterstellungen, die einen seien nur veränderungswütig und die anderen nur unbeweglich. Es kann bereichern, mit neuer Perspektive auf bisher Geregeltes zu schauen – und darüber hinaus.

Was kann nach einer Ordnung kommen, die übrigens für ihre Zeit in höchst respektabler Weise wichtig, richtig und orientierend war, aber nun in einer anderen Zeit angekommen ist? Die bislang den Geist einer Kirche als Institution geatmet hatte? Das heißt, die im Wesentlichen in dem Geist geschrieben ist, zu gewähren, abzulehnen, zu fordern oder zu verwehren? ­Solchen Institutionengeist spürt man der jetzigen Ordnung noch ab in Formulierungen wie: „Wer aus der Kirche austritt, verliert die Zulassung zum Abendmahl sowie alle kirchlichen Rechte, die die Zulassung zum Abendmahl zur Voraussetzung haben. Das gilt insbesondere für das Patenamt und das kirchliche Wahlrecht“ (aus Artikel 38).

Nun aber löst die Organisation die Institution ab. Wenn die Kirche also mehr zur Organisation wird statt zur Institution, dann geht es darum, radikal dienend für alle Menschen, die auf ihren Lebens­wegen Begleitung und Ansprache suchen, da zu sein. Ursprünglich kommen wir ja genau da her.

Wie also den kirchlichen Lebensreichtum von dort her neu ansehen und sortieren? Mit einem Perspektivwechsel. Weniger danach fragen, was darf erlaubt werden. Mehr danach fragen: Was können wir möglich machen und wo und wie dem Wirken des Heiligen Geistes Barrieren aus dem Weg räumen – verbunden mit der Leitfrage: Wie können wir radikal großzügig, noch weitherziger und erkennbar durchlässiger dafür da sein, was Menschen brauchen und suchen – ob Seelsorge, Segen oder Sakrament, ob sie Mitglieder sind oder nicht. Jetzt ­also erst recht nicht geizen, sondern geben. Diese Haltungsänderung zu vertiefen, das macht unser kirchliches Leben reicher.

Es ist nur ein Schritt, aber vielleicht kein ganz unwesentlicher, gemeinsam zu besprechen was nach der Ordnung des Kirchlichen Lebens Wege für ein reiches kirchliches Leben öffnen kann. Unter dem Motto „Kirche – alles in Ordnung?!“ Sind Sie herzlich eingeladen zu Gespräch, Austausch, Debatte – in Lübben, Potsdam, Berlin, oder am Bildschirm in Abend­gesprächen.