Was hörst Du?

Gottes Wort gelangt bei der sonntäglichen Predigt nur über einen Umweg zu Almuth Beyer. Nämlich über den des Miniaturverstärkers in ihrem Hörgerät. Die GKR-Vorsitzende der Berliner Kreuzkirchengemeinde Schmargendorf ist schwerhörig. Mit Cordula Möbius sprach sie über Verhaltensstrategien im gesprächsfreudigen Alltag und erklärt, was man für die Integration Hörgeschädigter in den Gemeinden tun kann.

Almuth Beyer ist GKR-Vorsitzende. Und schwerhörig. Darüber muss man sprechen, sagt sie.

Von Cordula Möbius

„Hast du gehört, was der Pfarrer am Sonntag gesagt hat?“ Eine einfache Antwort auf diese Frage ist für Almuth Beyer, Vorsitzende des Gemeindekirchenrates der Kreuzkirchengemeinde Schmargendorf, alles andere als selbstverständlich: Sie kann aufgrund einer ererbten Innenohrschwerhörigkeit schlecht hören. Um der sonntäglichen Predigt folgen zu können, muss sie Hörgeräte benutzen. Um am Gemeindeleben teilnehmen zu können, muss sie Verhaltensstrategien entwickeln. Das Schwierige an der Hörschädigung ist, dass man sie nicht sehen kann und der Betroffene darauf hinweisen muss.„Obwohl ich von Kindheit an hörgeschädigt bin, wurde mir meine Schwerhörigkeit als Kommunikationshindernis erst Ende der 90er Jahre bewusst und ich war gezwungen, mich völlig neu damit auseinanderzusetzen“, erinnert sich die lebensfrohe Frau an den langwierigen und auch schmerzhaften Prozess, der dazu führte, dass sie heute selbstbewusst mit ihrer Behinderung umgehen kann. Sie sitzt am liebsten mit dem Rücken zum Fenster, „damit ich besser im Gesicht meines Gegenübers lesen kann“, sagt Almuth Beyer. Im Restaurant sitzt sie gerne über Eck und mit dem Gesicht zur Wand. Dann ist der Krach hinter ihr und sie kann ihr Ohr besser zu ihren Gesprächspartner neigen. Bei Vorstellungsrunden outet sie sich und verabredet eindeutige Zeichen, falls sie etwas nicht versteht. Sie erkundigt sich vor Gottesdiensten oder Vorträgen, ob es eine Ring- oder Induktionsleitung gibt, damit sie das gesprochene Wort über die T-Spule in ihrem Hörgerät besser verstehen kann. Wenn es keine Ringleitung gibt, setzt sie sich in die Nähe des Lautsprechers. „Ich sitze grundsätzlich in den ersten Reihen“, sagt sie.Almuth Beyer geht mit ihrer Behinderung nicht nur sehr offensiv um, sie engagiert sich darüber hinaus seit 2005 ehrenamtlich in der Schwerhörigenseelsorge der EKBO. „Leider gibt es in unseren Gemeinden noch zu viele Menschen, die ihre Schwerhörigkeit als Defizit empfinden oder sie nicht wahrhaben wollen, still leiden und sich resigniert zurückziehen.“ Weil sie mit ihren Bedürfnissen nicht präsent sind, kann es passieren, dass auf Nachfrage in einer Gemeinde gesagt wird: „Schwerhörige? Haben wir nicht.“ Dabei leidet in unserer Gesellschaft etwa jeder fünfte an einer Hörschädigung. Was kann man tun, damit sich Hörgeschädigte wohler fühlen? Almuth Beyer nennt ein Beispiel: „Als ich zum ersten Mal an einem Familiengottesdienst in der Berliner St.-Lukas-Kirche teilnahm, konnte ich über die Ringschleife prima die Ansagen, Gebete und die Predigt verstehen und die Liedtexte auf der Leinwand und im Gesangbuch lesen. Eine tolle Erfahrung!“ Die sich durchaus auch andernorts machen ließe. Häufig sei die vorhandene Technik jedoch nicht eingeschaltet oder nicht ausgewiesen. „Das frustriert.“ Sinnvoll und hilfreich für die Integration Hörgeschädigter in den Gemeinden sind nach Ansicht von Almuth Beyer auch regelmäßige Informationsveranstaltungen zur Schwerhörigkeit und das Bemühen der Pfarrer um eine klare und deutliche Aussprache. Und deshalb freut sich Almuth Beyer auch auf den diesjährigen „Tag des Lärms“ am 27. April.

Unter dem Motto „Leiser Lärm und lauter Klang“ informieren der Schwerhörigenverein Berlin, die evangelische Schwerhörigenseelsorge, der Verkehrsclub Deutschland, ein Hörtechnikanbieter und eine Audiopädagogin im Rahmen des diesjährigen „Tag des Lärms“ über die Gefahren von Lärm am 27. April, um 18 Uhr in der St.-Lukas-Kirche, Bernburger Straße 3, 10983 Berlin-Kreuzberg.