Was „Herr Pastorin“ auf dem Land erlebt hat

Seine Frau ist Pastorin auf der Halbinsel Eiderstedt, er gibt den „Vollzeit-Papa“. Aus seinem Familienleben hat Rainer Kolbe in einer Kolumne für die Evangelische Zeitung berichtet. Nun gibt’s die Geschichten als Buch.

Vater und Tocher Kolbe vor 13 Jahren. Im Dezember ist Sina 18 Jahre alt geworden
Vater und Tocher Kolbe vor 13 Jahren. Im Dezember ist Sina 18 Jahre alt gewordenPrivat

Tating/Hamburg. „Wann ist ein Mann ein Mann?“, diese Frage stellt Rainer Kolbe gleich in der ersten Geschichte seines neuen Buches. Früher brauchte man dazu eine Knarre, er hat eine Karre, eine Kinderkarre, die er samt Kind durch den Ort schiebt, denn Kolbe ist „Herr Pastorin“.

Als seine Frau als Pastorin nach Tating auf der Halbinsel Eiderstedt berufen wird, wird aus ihm ein Vollzeit-Vater. Eine Frau als Pastorin ist dort ebenso ungewöhnlich wie ein Mann, der sich um das Kind kümmert, und Kolbe erlebt in seiner Rolle als Ehemann einer Pastorin und „Berufs-Papa“ nicht nur viele amüsante Episoden, er schreibt auch darüber. Mehr als 400 Kolumnen erscheinen­ unter dem Titel „Das Kind“ zwischen 2006 und 2014 in dieser Zeitung. Nun gibt es sie auch als Buch.

Tochter wünschte es sich

Anlass war der 18. Geburtstag seiner Tochter Lina im Dezember. Sie ist das Kind aus der Kolumne und wünschte sich zur Volljährigkeit die gebundenen Geschichten des Vaters. Kolbe nahm sie beim Wort, fand einen Verlag und veröffentlichte fast 60 Kolumnen aus ihren ersten Lebensjahren. Ein weiterer­ Band soll im August 2021 folgen.

Das Ehepaar Kolbe hatte sich damals bewusst für das ungewöhnliche Familienmodell entschieden. Seine Frau hatte ihr Studium abgeschlossen und musste das Vikariat absolvieren, er selbst war als Freiberufler flexibel und übernahm die Kinderbetreuung. „Da ich kein karriere­wütiger Mensch bin, fand ich das völlig in Ordnung“, sagt Kolbe.

Sina Aarlt

Anderen fiel das schwerer. Sei es, dass beim „Mutter-Kind-Turnen“ (Vereinsleitung: „Das hieß schon immer so!“) nur die Mütter angesprochen wurden, sei es, dass ein Besucher an der Tür des Pfarrhauses verwirrt war, weil er „den Pastor“ sprechen wollte, der Kolbe nicht war. Seine eigene Großmutter fragte ihn besorgt, ob er denn als Mann das Kind wickeln könne. Kolbe konnte. Und tat weit mehr als das. Er übernahm die Aufgaben, die sonst traditionell­ die Frau des Pastors macht: Kuchen backen, Stühle stellen, aber er verrückte auch mal einen Grabstein.

In seinen Kolumnen berichtet Kolbe nicht nur von lustigen oder absurden Situationen als Ausnahme-Vater, sondern auch von dem Leben im Pfarrhaus, dem Elternsein und Familienleben, bei dem das Kind auch sonnabends um 6.52 Uhr morgens am Bett steht, pro Tag 472 Fragen stellt und bei Laune gehalten werden muss, weil es seine Lieblingspuppe im Bus verloren hat. Für die Kolumnen hat er manches auf die Spitze getrieben, aber „echt“ ist alles, sagt er, auch der Humor. „Ohne humorvolle Einstellung geht das nicht“, sagt er.

Texte ein „Familienschatz“

Alle Texte noch einmal zu lesen, war für ihn eine interessante Erfahrung: Aus dem aufgeweckten Kleinkind ist eine erwachsene Tochter geworden und aus dem „Ganz­lütten“ ein 12-jähriger Junge. „Ich bin heute sehr glücklich über diese Geschichten“, sagt Kolbe. Sie seien ein „Familienschatz“.

Bis heute ist er für die Kinder verantwortlich und steht seiner Frau zur Seite. Nebenbei arbeitet er als freiberuflicher Lektor für Verlage. Die Familie wohnt inzwischen nicht mehr in Nordfriesland, sondern in Schnelsen, wo Annkatrin Kolbe Pastorin ist.

Parkplatz nur für Väter

Die Zeiten haben sich geändert. Ein Vater, der zu Hause bleibt, ist zwar immer noch die Ausnahme, aber nicht mehr so ungewöhnlich wie damals. Die letzte Geschichte im Buch hat Kolbe mit einem Hoffnungsschimmer für alle Väter enden lassen. Nach Jahren voller Mutter-Kind-Turnen und „Wo ist denn die Mutter?“-Fragen sieht er im Parkhaus einen Vater-Kind-Parkplatz. „Allein für dieses Schild hat es sich gelohnt“, schreibt Kolbe. „Und wehe, ich erwische eine Mutter, die hier ihr Auto parkt!“

Buch-Tipp
Rainer Kolbe: Meine Tage als Herr Pastorin.
Klaas Jarchow Media 2020, 144 Seiten, 16 Euro.

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