Warum wir lachen
Am 11. November beginnt die fünfte Jahreszeit und mit ihr eine Zeit des Frohsinns. Doch warum lachen wir überhaupt – und wofür ist es auch in schwierigen Zeiten gut?
Die Karnevalssession startet bald wieder. Wer lachen will, muss dafür aber nicht ins Rheinland fahren. Ein Anruf beim Lachtelefon e.V. mit Sitz im niedersächsischen Wunstorf tut es auch. Der Verein ist gerade zum zweiten Mal für den Deutschen Engagement-Preis nominiert. Rund 90 Ehrenamtliche aus Deutschland und Österreich bringen Anruferinnen und Anrufer mit Übungen zum Lachen. „Wir kommen vom Lachyoga – es tut total gut im Alltag zu lachen“, sagt Lachtelefon-Gründerin und Master-Trainerin Sandra Mandl. „Und man braucht einfach jemanden mit dem man zusammen lachen kann.“
Der Start des Telefons fiel fast taggenau auf den Beginn des ersten Corona-Lockdowns im März 2020. Dementsprechend war der Bedarf an Lacheinheiten laut Mandl sofort groß.
Der Gedanke, per Anruf zum Lachen gebracht zu werden, wirkt vielleicht erst einmal skurril. Doch das Bedürfnis nach Lachen ist offensichtlich da. Das schlägt sich sowohl im traditionellen Karneval oder Fasching, aber auch bei neueren Angeboten wie Lachclubs und Lachyoga nieder. Ein Sport, der durch Atemübungen, Lachlauten und Bewegung die Bauchmuskeln und das Lungenvolumen trainiert. Aber warum lachen wir überhaupt – wofür brauchen Menschen das Lachen, was bedeutet es?
Bereits der Evolutionsbiologe Charles Darwin hat Lachen bei Affen beobachtet. Nicht nur menschliche Babys, sondern auch die Jungtiere der Bonobos, Schimpansen, Orang-Utans oder Gorillas lachen häufig. Dies fördere die Bindung zwischen Eltern und Kind – oder auch anderer Bezugspersonen, erklärt Neurologe und Psychiater Dirk Wildgruber der Uni Tübingen der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA). Lachen könne in dieser Situation als Belohnung für die Zuwendung verstanden werden, da es bei allen Beteiligten positive Gefühle auslöst. Durch Endorphine steigt laut Wildgruber außerdem nachweislich die Schmerztoleranz – und damit auch – in speziellen Situationen – die Überlebenschance. Bei Affen und auch bei Ratten bewirken kitzelnde Reize beim Herumtollen das Lachen.
Karnevalsjecken wie auch Lachprofis lösen das Humorlachen durch „kognitive Stimuli“ – also Witze, lustige Ideen und Pointen – im Gehirn aus, erklärt Wildgruber. Lachen schweiße in der Gruppe zusammen und versetze in einen positiven Gefühlszustand: den, der lacht – und auch den, der zuschaut. Das Lachen nach einem Witz komme im Alltag allerdings gar nicht so oft vor. Vielmehr sollten über das Lachen meist emotionale Signale an das Gegenüber gesendet werden, erläutert Wildgruber. Es könne damit positive wie negative Emotionen ausdrücken.
Lachen muss indes richtig interpretiert werden. Ist es freundlich-herzlich wie bei einem Willkommensgruß oder vielleicht eher höhnisch, sogar schadenfroh? Lachen hat laut Wildgruber schier unzählige Bedeutungen. Unter anderem diene es dazu, Bindungen zu stärken oder einen Partner auszusuchen. Es könne aber auch Einfluss auf soziale Beziehungen haben, wenn jemand einen kleinen Fehler macht oder sich „lächerlich“ verhält. In dieser Situation wiederum könne Lachen verzeihend gemeint sein – möglicherweise aber auch spöttisch und gezielt ausschließend.
Wildgruber erforscht, wie psychisch Erkrankte emotionale Signale wie das Lachen im Vergleich zu gesunden Menschen verarbeiten. Patienten mit Angststörungen oder Depressionen deuten demnach Lachen häufig negativer. Das Forschungsteam versucht herauszufinden, wie groß die Chance ist, Betroffene durch ein Wahrnehmungstraining wieder fit für den sozialen Alltag zu machen. Dadurch können sie Lachen richtig interpretieren – und sich so auch weniger davor fürchten.
Der Verhaltensforscher Irenäus Eibl-Eibesfeldt interpretiert Zähne zeigen und die typischen Lautäußerungen beim Lachen als eine „ritualisierte archaische Drohgebärde“. Diese wirke gerade auf Gruppenfremde aggressiv, während sie innerhalb der Bezugsgruppe ein starkes Band schaffe und ein gemeinsames Triumphgefühl hervorrufe. Bei dem Ausgelachten könne es aber tiefgreifende Schamgefühle verursachen.
Die „Angst vor Lächerlichkeit“ hat sogar einen eigenen wissenschaftlichen Namen bekommen: die „Gelotophobie“. Erstmals breit untersucht wurde sie vom Psychologen Willibald Ruch und seinem Team der Universität Zürich. Betroffene können nicht zwischen harmlosem und bösartigem Lachen unterscheiden – und gehen grundsätzlich von einer Bedrohung aus.
Michael Titze, Psychotherapeut und einer der ersten Lachforscher in Deutschland, sieht dieses Forschungsfeld als besonders relevant an. Er versucht Menschen zu heilen die unter Beschämung leiden. Wer Lachen und lachende Menschen nicht erträgt, ist laut Titze leichter von sozialer Isolation bedroht – nicht nur in der Karnevals- und Fastnachtszeit. Schließlich drücke es auch Sympathie oder Antipathie aus. Und ohne vorher gemeinsam gelacht zu haben, findet manche Kommunikation erst gar nicht statt.
Dies verdeutlicht Titze am Beispiel einer Reisegruppe, die das erste Mal aufeinander trifft: Am Anfang der gemeinsamen Zeit lachten sich die Menschen häufiger an als im weiteren Verlauf der Reise. Dieses anfängliche Lachen kläre die sozialen Beziehungen, ohne dass sich jemand direkt verletzt fühle. Denn: Auch Gefühle der Antipathie würden dabei nonverbal wahrgenommen, ohne groß thematisiert zu werden. Wer aber den anderen sympathisch finde, zeige dies durch Humor. Schließlich heißt es nicht umsonst: Lachen verbindet.