Warum Ueckermünde den Reformator Bugenhagen bekannter machen will

Einst rettete der Reformator Johannes Bugenhagen in Ueckermünde drei Aufrührer vor der Hinrichtung. Eine Geschichte, die bekannter werden muss, findet der Touristen-Ort und wird aktiv.

Denkmal des Reformators Johannes Bugenhagen in Wittenberg
Denkmal des Reformators Johannes Bugenhagen in WittenbergNorbert Neetz / epd

Ueckermünde. Es klingt wie die Szene aus einem Historiendrama a la Hollywood: Auf dem Schafott zittern sie um ihr Leben, die zehn Männer, die in Pasewalk Bürgerunruhen angeführt haben. 1535 in Ueckermünde am Haff ist es: Herzog Philipp von Pommern-Wolgast hat die Gefangenen gerade zum Tode verurteilt, mehrere Begnadigungsersuche schmetterte er ab. Erst, als ein paar Frauen um ein milderes Urteil bitten und zu schluchzen beginnen, lässt er sich doch erweichen: Sieben der Männer sollen mit einer Geldstrafe davonkommen. Die drei anderen aber bekämen ihr Urteil, niemand solle jetzt mehr für sie bitten!
Und eben da passiert es: Der Theologe und Pommern-Reformator Johannes Bugenhagen, einer der engsten Freunde von Martin Luther und ein Berater des Herzogs, ergreift das Wort und hält eine Rede, die reformatorischer kaum sein könnte. „Gnediger Herr“, beginnt Bugenhagen dem pommerschen Geschichtsschreiber Thomas Kantzow aus dem 16. Jahrhundert zufolge: „Eure Fürstlichen Gnaden haben ihr fürstliches Amt von Gott dem Herrn, und Eure Fürstlichen Gnaden tun billig daran, dass Eure Fürstlichen Gnaden Mutwilligkeit und Unrecht bestrafen.“ Der gleiche Gott, der dem Fürsten den Befehl erteilt habe, Unrecht zu bestrafen, erlasse aber „uns armen Sündern“ die Strafe, wenn wir bereuten, fährt Bugenhagen fort. So solle der Fürst doch auch verfahren: Wenn diese armen Leute hoch und heilig versprechen würden, sich zu besser, dann möge er ihnen das Leben lassen.

Geschichte war in Ueckermünde unbekannt

Weiter kann Bugenhagen nicht sprechen, vor Trauer und Angst versagt ihm die Stimme, schreibt Kantzow. Der erst 20 Jahre alte Fürste aber wird blass, schweigt, grübelt, ist lange hin und hergerissen. Dann endlich steht er auf und fragt die Räte, was sie tun würden. Als sie antworten: Jetzt, da die Verurteilten so kurz vor dem Tode standen, würden sie sich bestimmt bessern, beschließt Philipp tatsächlich, sein Urteil zurückzunehmen. Nur ein Bußgeld sollen die Männer bezahlen.
In Ueckermünde, dem Ort des Geschehens vor fast 500 Jahren, war diese Geschichte bis zum vergangenen Sommer völlig unbekannt. Dann erwähnte Hans-Jürgen Abromeit, Bischof im Sprengel Mecklenburg und Pommern, sie in seinen Sommervorträgen über Johannes Bugenhagen im Pommerschen Kirchenkreis.
„Wir fanden das spannend, dass sich so eine Geschichte bei uns zugetragen hat, und wollten sie weiter bekannt machen“, erzählt das Pastorenehepaar Susanne und Stephan Leder in Ueckermünde. Zusammen mit Jürgen Kliewe, dem stellvertretenden Bürgermeister der 9.000-Einwohner-Stadt, beschlossen sie daher, noch in diesem Jahr auf dem Vorplatz der Kirche eine Infotafel über Bugenhagen und seinen Einsatz aufzustellen – mit der Textpassage aus Kantzows Pommern-Chronik und einem Ausschnitt aus dem berühmten Croy-Teppich von 1554.

Info-Tafel in Planung

„Wir hatten Kantzows Text zuerst nur auf Mittelniederdeutsch, da ist er aber doch ein bisschen schwer zu verstehen“, erzählt Pastor Leder. Jürgen Kliewe, der sich seit Jahren für Regionalgeschichtsforschung interessiert, ließ das Dokument darum vom Greifswalder Historiker und Museumsmitarbeiter Joachim Krüger ins heutige Hochdeutsch übertragen. „Ich freu mich über jedes historische Detail, das wir über unseren Ort herausfinden“, erklärt Kliewe. Ueckermünde, diese kleine Stadt am Haff, die heute jedes Jahr rund 60 000 Touristen anziehe, habe im Laufe ihrer Geschichte mehrere schwere Brände verkraften müssen. „Ganz viele historische Dokumente sind verbrannt“, sagt Jürgen Kliewe. Die Episode von Bugenhagens Rettungseinsatz blieb wohl deshalb unversehrt, weil sie Teil einer ganzen Chronik über Pommern war. „Da waren Kopien im Umlauf“, sagt Kliewe.
Wann genau die neue Info-Tafel aufgestellt wird, ist noch unsicher. Die Begnadigung damals in Ueckermünde erregte jedenfalls enormes Aufsehen, schreibt Katzow. Und weil vielen die Begnadigung verdient erschien, brachte sie dem jungen Herzog Respekt und Wohlwollen ein.