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Warum sich der Reiseführer auch im KI-Zeitalter noch lohnt

Eine außergewöhnliche Reise will gut geplant sein. Immer mehr Menschen greifen dafür auf digitale Angebote zurück. Der gedruckte Reiseführer verliert dagegen zusehends am Markt. Dabei hat er viele Vorteile.

Das Reisefieber geht wieder rum. Zum Start der Sommerzeit verbreitet sich die hochansteckende, doch weitgehend ungefährliche Krankheit in ganz Deutschland. Heilung verspricht da ein Urlaub – für manche reicht schon eine Fahrt ins nächste Bundesland; andere können gar nicht weit genug wegkommen.

Damit die Reise aber auch gelingt, ist noch vor dem Kofferpacken Planen das A und O. Kein anderes Hilfsmittel hat sich in den vergangenen fast 200 Jahren so bewährt wie der Reiseführer in Buchform. Was 1832 mit dem ersten roten Baedeker begann, hat sich zu einer Millionenbranche entwickelt. In Buchhandlungen finden sich inzwischen Reiseführer ganz verschiedener Art: was die Ziele angeht, die Art, dorthin zu gelangen, und auch die jeweiligen Urlaubsinteressen – oder neuerdings sogar ökologische Schwerpunkte.

Doch wie die gesamte Printbranche sieht sich freilich auch die Reiseliteratur unter Druck durch die Digitalisierung. Kostenfreie Apps wie Tripadvisor oder Getyourguide bieten inzwischen von Essen und Unterkunft bis zu Ausflugszielen nutzerfreundliche Bewertungen und Hilfestellungen für die Urlaubsplanung. Ganz zu schweigen von der Künstlichen Intelligenz (KI), die inzwischen detaillierte Reisepläne erstellt und sogar dazu passende Flüge und Hotels im Angebot hat. Praktisch sind die digitalen Angebote auch, weil sie sich über das Handy abrufen lassen – das ja auch im Urlaub ständig dabei ist.

In der Reiseführer-Branche ist man sich dieser mächtigen Konkurrenz sehr bewusst. Die Verlagsgruppe Mairdumont, Deutschlands Marktführer, hat 2024 nach eigenen Angaben 65 Millionen Euro Umsatz gemacht; verkauft wurden fünf Millionen Reiseführer und 1,5 Millionen Karten. Zehn Jahre zuvor kam das Unternehmen, das auch den bereits erwähnten Baedeker vertreibt, hingegen noch auf rund 100 Millionen Euro Umsatz. Und auch für das laufende Jahr ist die Prognose eher verhalten, wie Verlegerin Stephanie Mair-Huydts der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) sagt: “Der Buchmarkt im Bereich Reise ist in diesem Jahr bisher leider stagnierend.”

Auf die zunehmende Digitalisierung der Reiseliteratur will der Verlag mit Sitz in Ostfildern bei Stuttgart mit hybriden Angeboten reagieren. “Die Reisenden nutzen die Medien parallel: digitale Angebote und das bewährte Printprodukt”, erklärt Mair-Huydts. Viele Reiseführer böten daher bereits digitale Verlängerungen, etwa Geodaten oder eine ergänzende Touren-App zum Download. Ein tieferer Einstieg in das App-Geschäft ist laut der Verlegerin aber aus wirtschaftlicher Sicht derzeit nicht denkbar. “Mit Reise-Apps kann man leider bisher kein Geld verdienen. Kaum jemand ist bereit, für eine App mehr als einen Euro zu zahlen.”

Aber warum dann noch Geld für einen Reiseführer ausgeben? Dafür gibt es tatsächlich gute Gründe. Zum einen werden Soziologen und Verhaltensforscher nicht müde, die entschleunigende Wirkung konzentrierten Lesens zu betonen – gerade in Kontrast zum gehetzten digitalen Alltag. Denn auch in ab und zu stressigen Reisevorbereitungen kann dadurch ein wenig Ruhe geschaffen werden.

Anders als Apps, die von den Eingaben der – oft anonymen – Nutzer leben, sind gedruckte Reiseführer selektiver; sie bieten eine Art kuratiertes Reisen an. Das ist besonders hilfreich für Menschen, die sich vom schieren Angebot und den mitunter überbordenden Bewertungen in Apps überfordert fühlen.

Zudem sind Reiseführer-Informationen in der Regel auch verlässlich; gerade bei exotischeren Destinationen, an denen sich der mitteleuropäische Tourist auf andere kulturelle Gepflogenheiten einstellen sollte. Auch können sie – selbst wenn sie als E-Book mitgenommen werden – unabhängig von Internetverbindungen konsultiert werden. Gerade bei Rucksackreisen in der Natur siegt so das Analoge über das Digitale.

Nicht zuletzt kann das Schmökern in Reiseführern die Vorfreude auf den Urlaub enorm steigern. Und sie können ein gewisses Eitelkeitsgefühl befriedigen: Denn ein mit Reiseführern bestücktes Bücherregal zeigt jedem Besucher sofort an, welche Reiseziele schon besucht wurden.