Die guten Zeiten sind vorbei. Ein Hochschulabschluss garantiert in China längst keinen Arbeitsplatz mehr. Unternehmen bauen eher Personal ab. Viele Jobsuchende geben ganz auf.
Für junge Leute in Chinas Städten ist es extrem schwer geworden, einen Job zu finden. Aktuell ist fast jeder fünfte zwischen 16 und 24 Jahren arbeitslos. Mit 17,8 Prozent wurde im Juli der höchste Stand seit elf Monaten erreicht. Dabei rechnet das Statistikamt viele arbeitssuchende Studenten schon gar nicht mehr mit, weil die Zahlen sonst noch düsterer wären. Und die Lage verschärft sich in diesem Sommer noch weiter, weil 12,2 Millionen Hochschulabsolventen dazukommen – mehr als je zuvor.
In Sozialen Medien kursieren frustrierte Kommentare. Viele wollen ihren Abschluss am liebsten in die Tonne werfen, weil er nichts wert sei. “Der Markt ist rau” oder “Ich bin gefangen hinter einer Mauer von Hoffnungslosigkeit”, so klagen junge Jobsucher. Um der Zensur zu entgehen, trendet zig-millionenfach der ironisch oder sarkastisch verwendete Hashtag “Schönheit in Zeiten wirtschaftlichen Aufschwungs”. Damit wird an frühere, bessere Zeiten erinnert, als der mühsam erarbeitete Uni-Abschluss noch eine gute Anstellung garantierte.
Chinas Wirtschaft schafft nicht mehr genug Arbeitsplätze, um den vielen Akademikern einen passenden Job anbieten zu können. Nach der Corona-Pandemie hat sich die Stimmung nicht verbessert. Viele Unternehmen entlassen Mitarbeiter. “Trotz des relativ stabilen Wirtschaftswachstums 2024 hat mehr als die Hälfte der börsennotierten Unternehmen Personal abgebaut – was die Frage aufwirft, ob das auf eine pessimistische Sicht auf die langfristigen Aussichten schließen lässt”, schreibt das renommierte Wirtschaftsmagazin “Caixin”.
Die Konsumlaune ist schlecht. Der Handelskrieg, die von US-Präsident Donald Trump angedrohten hohen Zölle und die Immobilienkrise verstärken die Unsicherheiten und dämpfen Investitionen. Es ist ein Teufelskreis: Unternehmen stellen nicht ein, weil die Nachfrage schlecht ist, während Verbraucher nur zögerlich Geld ausgeben, weil die Aussichten auf dem Arbeitsmarkt trostlos sind. Es gibt eine Diskrepanz zwischen Ausbildung und Bedarf. Junge Leute bleiben zudem lieber in Mega-Städten wie Peking, Shanghai oder Shenzhen; dadurch wird die Konkurrenz immer größer.
“China steht weiter unter Druck, die Beschäftigung stabil zu halten, vor allem wegen der komplexen Veränderungen im externen Umfeld”, sagt der Sprecher des Statistikamtes, Fu Linghui – und will damit offenbar die Hauptschuld dem Protektionismus der USA und anderer Handelspartner zuschieben. “Die Rekrutierungsschwierigkeiten in einigen heimischen Branchen bestehen weiterhin, ebenso ein hoher Beschäftigungsdruck für bestimmte Gruppen.”
Regierungschef Li Qiang räumte bereits im Frühjahr ein: “Wir müssen Maßnahmen treffen, um die Beschäftigungszahlen in Fertigungs- und Außenhandelsunternehmen zu stabilisieren, um die Curricula an den Universitäten zu optimieren und um die Qualität der Berufsbildung sowie der Aus- und Weiterbildungsmaßnahmen entsprechend der Marktnachfrage zu verbessern.”
Derweil entscheiden sich immer mehr Studierende, lieber weitere Qualifikationen zu suchen und noch einen Master oder Doktor aufzusatteln. Damit wird das Problem aber nur vertagt. Auch sinken damit die Aussichten für jene weiter, die nur mit einem Bachelor-Abschluss einen Job suchen.
Eine wachsende Zahl junger Leute gibt bereits ganz auf. Soziologen sprechen von “NEETs”, also: “not in Education, Employment or Training”. Gemeint sind junge Leute, die weder in Ausbildung noch in Beschäftigung, Fortbildung oder Praktikum sind – und von der Familie unterhalten werden müssen. Zwischen 2018 und 2022 stieg ihr Anteil in der weit gefassten Altersgruppe zwischen 16 und 34 Jahren von 11,5 auf 16,5 Prozent, wie eine Studie der Forscherin Su Lifeng von der University of International Business and Economics in Peking ergab.
Die Zahlen verdeutlichen, dass das Problem noch größer ist, als die offizielle Statistik erkennen lassen will. “Wenn dies nicht effektiv eingedämmt wird, wird das langfristig negative Auswirkungen auf Wirtschaftswachstum und soziale Stabilität haben”, warnt Su laut “Caixin”.