Warum ich in der Kirche bleibe
Menschen treten aus der Kirche aus. Das ist jammerschade. Und stellt die Kirche auch ganz praktisch vor Herausforderungen. Aber: Zahlen sind nicht alles. Warum wir die Kirche brauchen
Von Gerd-Matthias Hoeffchen
Jetzt fallen die Blätter wieder. Der Sommer ist vorbei. Die Tage werden kürzer, das Licht trüber. Und da ist sie wieder: diese Ahnung von Stille, Ruhe und Zerfall.
Von Anbeginn an gehört zum Menschsein das Empfinden von Abschied, Schmerz und Trauer. Und die Frage: Warum ist alles so vergänglich? Warum muss auch ich dereinst gehen? Ich bin dankbar, dass in meiner Kirche die Hoffnung aufrechterhalten wird, dass mit diesem Abschied am Ende unserer irdischen Tage nicht alles vorbei ist.
„Glaube“ nennen das die Christinnen und Christen; das Vertrauen darauf, dass der Tod die Pforte ist in ein neues, ewiges Leben, wo alles gut sein wird. Einfach gut.
Dieser Glaube ist selbst ein zartes Pflänzchen. Manchmal kann er vor Kraft strotzen, er steht in vollem Saft und wächst. Dann wieder gibt es Zeiten, in denen der Glaube einzugehen droht. Die Kirche, die Gemeinschaft der Christinnen und Christen – sie ist wie ein Gewächshaus, in dem der Glaube Pflege, Schutz und Nahrung finden kann.
Das ist für mich der Anker, der mich in der Kirche hält.
Und es gibt weitere Gründe. Ich bin froh und manchmal sogar stolz, dass sich die Kirche so sehr einsetzt:
n Für den Nächsten. Jugendarbeit, Gemeindekreise, Kindergärten, Altenbesuche. Diakonie.
n Für den fernen Nächsten: Brot für die Welt, internationale Partnerschaftsarbeit, Ökumene.
n Für das Zusammenleben und die Gesellschaft: Gerechtigkeit, Friede und Bewahrung der Schöpfung.
Und ich bin nicht allein. Die Kirche stellt mich in eine Gemeinschaft. Diese Gemeinschaft lässt mich Halt erleben, Orientierung und Sinn. Und zwar wirklich: erleben. Kirche ist da stark, wo die Menschen miteinander leben. Damit bin ich groß geworden.
Die Statistik sagt: Wir werden weniger. Weil die Bevölkerung in Deutschland zurückgeht. Aber auch, weil Menschen aus der Kirche austreten. Viele erkennen in der Kirche kein einleuchtendes Konzept mehr. Sie sagen, die Kirche gebe ihnen keine einleuchtenden Antworten auf ihre Fragen.
Und das, obwohl wir Christinnen und Christen doch nach wie vor davon überzeugt sind, dass wir diese Antworten haben. Hier müssen wir alle sicherlich weiter und noch mehr denken, arbeiten und uns anstrengen.
Aber Zahlen sind nicht alles. Man darf vielleicht auch mal – durchaus mit einem gewissen Selbstbewusstsein – fragen: Wie würde die Gesellschaft denn ohne die Kirche aussehen? Ohne die Hunderttausenden in Haupt- und Ehrenamt, die sich nicht scheuen, sich als „Gutmenschen“ beschimpfen zu lassen, weil sie die Nächstenliebe als Lobpreis Gottes verstehen und über alles andere setzen? Wie würde mein Leben ohne Kirche – und damit auf lange Sicht wohl auch: ohne Glauben – aussehen? Und: Wie würde mein Sterben aussehen?
Halt, Hoffnung, Sinn und Orientierung. Kraft, Gemeinschaft. Ermutigung. Segen. Das sind wahrlich gute Gründe, um in der Kirche zu sein. Und zu bleiben.