Warum Ethik-Expertin Petra Bahr eine Impfpflicht ablehnt

Der Deutsche Ethikrat hat sich für eine allgemeine Impfpflicht ausgesprochen. Doch nicht alle Mitglieder unterstützen dieses Votum.

Regionalbischöfin Petra Bahr (Archiv)
Regionalbischöfin Petra Bahr (Archiv)Jens Schulze / epd

Hannover. Die Regionalbischöfin Petra Bahr aus Hannover, Mitglied des Deutschen Ethikrats, ist gegen eine allgemeine Corona-Impfpflicht. „Eine allgemeine gesetzliche Impfpflicht für alle Erwachsenen kann ich zum jetzigen Zeitpunkt nicht unterstützen“, sagte die Theologin dem Evangelischen Pressedienst (epd). „Dieses Instrument erscheint mir angesichts der Härte des Eingriffs und der extrem unterschiedlichen Risikoverteilung nicht angemessen und nicht effektiv zu sein.“ Der Ethikrat hat in einer Stellungnahme mehrheitlich für eine Impfpflicht plädiert. Allerdings gibt es in dem Gremium unterschiedliche Sichtweisen.

Plausibel erscheine aus ihrer Sicht eine Ausweitung der Impfpflicht auf Risikogruppen wie Ältere, Vorerkrankte oder Schwangere, sagte Bahr. „Auch die bereichsbezogene Ausweitung, etwa für die Teile des öffentlichen Dienstes, deren Mitarbeitende eine besonders hohe Exposition haben, ist vorstellbar.“ Generell sei die Impfung eine moralische Verpflichtung, weil sie dazu beitrüge, dass andere seltener angesteckt würden und das Gesundheitssystem nicht zusammenbreche.

Schwerwiegender Eingriff

Eine allgemeine Impfpflicht sei allerdings selbst in einer Katastrophensituation ein schwerwiegender Eingriff in die Selbstbestimmung, betonte die promovierte Theologin: „Die Selbstbestimmung über den eigenen Körper zu erlangen, ist das Ergebnis der Freiheits- und Demokratiegeschichte. Sie wurde hart errungen.“ Die sozialen Folgen einer Pflicht wären erheblich: „Menschen, die bislang nur impfskeptisch oder abwartend sind, könnten in den Einfluss von radikalen Impfgegnern und verfassungsfeindlichen Kräften gelangen.“

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Bei einer Impfpflicht sei allerdings ungeklärt, wie mit denjenigen umgegangen werden solle, die sich weiterhin weigerten, geimpft zu werden, sagte Bahr. Denn jede rechtliche Regelung verlange nach Zwang und Sanktionierung. Zudem seien viele praktische Fragen der Umsetzung noch offen. Es fehle ein zentrales Impfregister und eine Prognose, wann welche Impfstoffe zur Verfügung stehen könnten, welche Anpassungen vorgenommen werden müssten und welche Priorisierung angestrebt werde.

Die Gruppe der Ungeimpften sei divers, und über ihre Motive sei zu wenig bekannt, argumentierte Bahr. Dabei spielten regionale, kulturelle und religiöse Prägungen eine Rolle. „Dazu Desinformationskampagnen, denen nicht hart genug widersprochen wurde, oder eine gesellschaftliche Marginalisierung.“ Deshalb seien zielgenauere Impfkampagnen nötig, forderte die Theologin. „In den letzten Wochen hat sich gezeigt, dass aufsuchendes Impfen, individuelle Aufklärung und eine zugewandte Art der Vermittlung durchaus erfolgreich sein können.“ Freiwilligkeit sei auch deshalb wichtig, weil die anderen Maßnahmen zur Pandemie-Bekämpfung ohne die Normtreue weiter Teile der Bevölkerung nicht mehr griffen.

Abweichende Meinungen

Im Ethikrat votierten 13 Mitglieder für eine allgemeine Impfpflicht für alle Erwachsenen ab dem 18. Geburtstag. Sieben Ethikratsmitglieder plädierten dafür, eine Impfpflicht auf diejenigen zu begrenzen, die ein hohes Risiko für einen schweren Covid-19-Verlauf haben. Vier Experten votierten gegen die Impfpflicht. (epd)