In den alten Dorfkirchen der Kirchengemeinde Breitenfelde, zwischen Lübeck und Hamburg gelegen, gibt es eine Routine. Abendmahl. Sonntag für Sonntag schauen sich Fremde und Freunde an und sagen: „Friede sei mit Dir“. Sonntag für Sonntag erfahren sie von der Nacht, in der Jesus verraten ward, Brot brach und Wein trank. „Dieses tut zu meinem Gedächtnis“, hören sie die Einsetzungsworte aus dem Neuen Testament. „Kommt, es ist alles bereit“, hören sie den Liturgen oder die Liturgin, und treten zum Altar.
Häufig ist es ihr Pastor Tobias Knöller, der zum Abendmahl lädt. Knöller ist ein Mann, dem das Abendmahl am Herzen liegt. „Da ist so viel Schönheit, die jeder Mensch, jede Christin, jeder Christ, verdient hat“, sagt er. „Sie werden beim Abendmahl bewirtet als Töchter und Söhne Gottes.“
Vom Autoverkäufer zum Pastor
Knöller ist 41, bei Instagram ganz norddeutsch @paster_tobi. „Vom Autoverkäufer zum Pastor“ fasste die Öffentlichkeitsarbeit seines Kirchenkreises den Lebensweg ihres neuen Geistlichen zusammen, als dieser im Dezember 2023 nach Breitenfelde kam. Und dieser Pastor schwärmt für das Abendmahl. Davon konnte ihm auch die Abschlussarbeit seines Theologie-Studiums nicht abbringen, im Gegenteil. „Kommunikation in Kommunion“ heißt sie. Frei übersetzt: Mitteilen in Gemeinschaft.

Eine Gemeinschaft füllt jetzt regelmäßig eine der Dorfkirchen von Breitenfelde, bei Brot und Wein. Als „Freund der Kreisrunde“ bezeichnet Knöller sich selbst, „wo man diese Gemeinschaft ganz besonders spürt.“ Brot und Wein werden im Team ausgeteilt, alle tragen eine weiße Albe, ob Lektorin oder Pastor – die Albe als Inbegriff des Priestertums aller Gläubigen und Weiß als Zeichen der Auferstehungsfreude.
Abendmahl jeden Sonntag: Manchen kommen die Tränen
„Jesus Christus für dich“. „Christi Leib für dich gegeben“. „Das Brot des Lebens für dich.“ Der Zuspruch variiert, die Reaktionen auch. „Danke“, „Amen“, Nicken. Tränen. „In diesen Momenten merke ich, dass bei jeder und jedem Einzelnen etwas passiert“, sagt der Theologe. Das könne man nicht in Worte beschreiben, weil es mit dem Glauben zu tun habe, sagt er.
Um dieses Verstehen, um die Gleichnisse Jesu und seine Mahlzeiten, ging es Knöller auch zum Ende seines Studiums, als er an „Kommunikation in Kommunion“ arbeitete. „Ich war schon damals in einer Gemeinde, in der jeden Sonntag Abendmahl gefeiert wurde“, erinnert er sich. Mit der wissenschaftlichen Lektüre kamen Kopf und Herz zusammen.
Pastor Knöller: “Ich bin kein Evangelikaler”
„Wir kommunizieren Jesus Christus, indem wir ihn kommunizieren, leiblich glaubend im Abendmahl als Sakrament“, lautet ein Kernsatz seines Buches. Kommunikation, die Verständigung durch die Verwendung von Zeichen und Sprache, darum geht es Knöller. Konkret: Um die Kommunikation von Jesus Christus. Im Gespräch mit ihm fällt auf, dass der Name von Gottes Sohn häufig über seine Lippen kommt. „ich bin nicht frömmelnd, ich bin kein Evangelikaler“, sagt er, ihm sei es einfach wichtig, Jesus Christus zu benennen. Und das war der Ausgangspunkt seiner Forschung.
Denn „Jesus Christus fristet eher ein Nischendasein in der evangelischen Kirche“, sagt Knöller – und beruft sich dabei auf die Kirchenmitgliedschaftsuntersuchung (KMU) der EKD von 2015, die zeigt, dass häufiger Namen wie Martin Luther und Margot Käßmann mit der evangelischen Kirche verbunden werden als ihr Fundament aus Nazareth.
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Pastor Knöller nimmt Abendmahlsgeschichte ernst
Ein Nischendasein fristet auch das Abendmahl in manchen Gemeinden. Historisch gewachsen sei diese protestantische Abkehr von Brot und Wein, etwa durch die Aufklärung. „Der Gottesdienstbesuch ging damals rapide runter, weil man sagte: ‚Ach, wir müssen uns eigentlich nur gut verhalten – wir brauchen ja gar nicht mehr in die Kirche gehen‘“, erklärt Knöller. „Wir denken heute: einmal im Monat Abendmahl, das ist evangelisch, aber das stimmt nicht.“
In der Luther-Übersetzung des Neuen Testaments ist von „Gedächtnis“ die Rede, dabei heißt es im altgriechischen Urtext: „Dieses tut zu meiner Vergegenwärtigung“. Und diese Worte nimmt Tobias Knöller ernst. Er glaubt: Jesus Christus vergegenwärtigt sich selbst im Abendmahl.
Bibel ist nicht vom Himmel gefallen
Dabei weiß er, dass Worte unterschiedlich wirken. „Stellen Sie sich einen Hund vor“, sagt er. Schwarze Labradore tauchen bei der einen vorm inneren Auge auf, der andere denkt an kleine wuschelige Vierbeiner. „Es ist normal, dass wir einen Begriff, aber völlig unterschiedliche Assoziationen dazu haben.“ „Unvergleichliche Vergleichspunkte“ seien das. „So ist auch mit Gott. Wenn Jesus ein Gleichnis erzählt, haben alle unterschiedliche Assoziationen.“ Unvergleichliche Vergleichspunkte gibt es auch im Gottesdienst. „Die Gemeinschaft, die Gnade, das habe ich auch in der Liturgie.“
Der Pastor sagt: „Wenn wir das Evangelium hören, sei es im Gottesdienst oder wenn wir zu Hause die Bibel auf dem Schoß haben, dann passiert da etwas.“ Dabei sei die Bibel nicht vom Himmel gefallen, es gibt die historisch-kritische Methode, die erforscht, wie Texte aus Altem und Neuem Testament entstanden sind. „Da haben Menschen dran geschrieben.“ Menschen, die vom letzten Abend Jesu mit seinen Jüngerinnen und Jüngern berichteten, vom Mahl in der „Nacht, in der er verraten ward“. Da scheine das Kreuz schon durch, sagt Knöller. „Das ist der Moment, wo auch alles Verstehen gebrochen wird, wo aber auch alles anfängt.“ Und das ist der Moment, der sich in jeder Abendmahlfeier wiederholt. Menschen erleben Gemeinschaft, erleben: Du gehörst dazu. „Das ist viel“, sagt Knöller.
