Nicht jeder empfindet sie gleich und doch gibt es wohl niemanden, der noch niemals Einsamkeit gespürt hat. Kritisch wird es allerdings dann, wenn sie chronisch wird, das Leben bestimmt. Auch wenn es für Einsamkeit noch keine eindeutige medizinische Diagnose gibt, ist doch inzwischen bekannt, dass sie ernsthafte gesundheitliche Folgen haben, etwa psychische und auch Herzerkrankungen begünstigen kann.
Einsamkeit – so der immer häufiger zu hörende Tenor – ist ein gesamtgesellschaftliches Problem. Die Isolationsphasen während der Pandemie haben das verdeutlicht, doch hat Einsamkeit nicht erst mit Corona angefangen. Ab kommenden Montag soll nun erstmals mit einer bundesweiten Aktionswoche auf das Phänomen aufmerksam gemacht werden. Den Auftakt dafür gab eine Tagung im Kölner Sport- und Olympiamuseum, organisiert von den Maltesern, dem Deutschen Caritasverband, der Bundesarbeitsgemeinschaft der Seniorenorganisationen und dem Kompetenzwerk Einsamkeit.
Im Fokus: das Ehrenamt
Besonders in den Fokus rückte dabei das Ehrenamt. „Denn Ehrenamtliche jeden Alters tragen entscheidend dazu bei, Teilhabemöglichkeiten im lokalen Raum in die Realität umzusetzen”, betonte der Vorstandsvorsitzende der Malteser in Deutschland, Elmar Pankau. Durch freiwillige Tätigkeiten könnten zudem insbesondere Senioren „auf Augenhöhe” geholt werden, so Pankau. Sie begriffen sich dadurch weniger als Betroffene, die Unterstützung bräuchten, sondern fühlten sich selbst eingebunden.
Hinzu kommt ein anderer Aspekt: Menschen, die unter Einsamkeit litten, verlören mitunter das Vertrauen in die Gesellschaft, warnte Caritas-Präsidentin Eva Maria Welskop-Deffaa. „Sie sind anfälliger für Verschwörungstheorien und können auch zu Störern der Gesellschaft werden.”

Welskop-Deffaa unterstrich zudem die Rolle kirchlicher Strukturen: „Ich bin zum Beispiel davon überzeugt, dass Kirchenchöre Segensorte gegen Einsamkeit sind.” Menschen zum Singen einzuladen, sei attraktiver als zur Selbsthilfe. Dementsprechend besorgt blicke sie auf den zunehmenden Mitgliederschwund der Kirchen und damit das Wegfallen pfarrkirchlicher Strukturen vor Ort. „Wenn es die nicht mehr gibt, stirbt mehr als nur der Kirchenraum.”
Sowohl Pankau als auch Welskop-Deffaa pochen auf eine Verbesserung der Rahmenbedingungen für das Ehrenamt. Dies könnte nur dann effektiv wirken, wenn die strukturellen Voraussetzungen dafür gegeben seien, sagte die Caritas-Präsidentin. Die im vergangenen Jahr gestartete Strategie des Bundesfamilienministeriums habe zwar wichtige Punkte in der Diskussion um Einsamkeit gegeben, etwa Armut als wichtigen Einfluss benannt. Bis zu einem ganzheitlichen und nachhaltigen Aktionsplan gebe es jedoch noch viel Arbeit.
Die Diskussion spitzt sich meist schnell auf Seniorinnen und Senioren zu, die tatsächlich stark betroffen sind. Doch auch für junge Menschen brauche es mehr Einsatz, mahnte Pankau. Ihn habe es überrascht, wie hoch die wahrgenommene Einsamkeit unter Jugendlichen liege. Zu Pandemie-Zeiten – ohne Vereinsleben, dafür mit Homeschooling – sei viel darüber gesprochen worden. „Nach Corona gerät es aber langsam wieder in Vergessenheit”, bedauerte der Experte.
„Einsamkeit ist bewältigbar”
Auf dem Podium warb die Sportwissenschaftlerin Susanne Bücker dementsprechend für mehr vorbeugende Maßnahmen gegen Einsamkeit. Programme müssten früher ansetzen, „nicht erst im hohen Alter”, so die Kölner Sportpsychologin. Gleichzeitig stellte sie klar: „Wir können nicht Jede und Jeden davor schützen, mal einsam zu sein. „Ziel müsse es daher sein, früh über das Thema zu sprechen und zu zeigen: „Einsamkeit ist bewältigbar.”
Wie wichtig das Sprechen ist, zeigte auch der vergangene Ehrenamtsmonitor der Malteser. Dort gaben 60 Prozent der Befragten an, dass das Thema Einsamkeit im direkten Umfeld nicht angesprochen werde – es handelt sich also offenbar noch immer um ein Tabuthema. Gleichzeitig fehle es dem noch jungen Feld der Einsamkeitsforschung an Akzeptanz, bemängelte Bücker: Sie werde oft als populärwissenschaftlich abgetan.
