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Wanfrieder Abkommen: Sieben Dörfer wechseln die Seiten

Kurz nach Kriegsende vereinbarten amerikanische und sowjetische Besatzungsmacht mit dem sogenannten Wanfrieder Abkommen einen Gebietstausch an der hessisch-thüringischen Grenze. Die am 17. September 1945 unterschriebene Vereinbarung hatte den Wechsel von sieben Dörfern zwischen den Besatzungszonen zur Folge. Dabei fielen die hessischen Dörfer Asbach, Sickenberg, Vatterode, Weidenbach und Hennigerode an die sowjetische Zone, während die US-Amerikaner die Eichsfelder Dörfer Neuseesen und Werleshausen erhielten.

Ziel war es, die Bahnlinie Bebra-Göttingen vollständig unter Kontrolle der US-Armee zu bringen. „Der Vertrag löste ein praktisches Versorgungsproblem der US-Armee, deren Nachschublinie von Bremerhaven nach Hessen, Bayern und Württemberg führte“, erklärt Christian Stöber, Historiker und Leiter des Grenzmuseums Schifflersgrund im thüringischen Asbach-Sickenberg. Die Strecke durchquerte auf vier Kilometern sowjetisches Gebiet und war mehrfach blockiert worden.

Ein anschauliches Zeugnis der Verhandlungen ist im Grenzmuseum ausgestellt: die schwarze Olympia-Plana-Reiseschreibmaschine mit kyrillischer Tastatur. Auf ihr wurde die russische Fassung des Vertrags geschrieben. Die Maschine gehörte dem US-Militärkommandanten Michael Burda, der maßgeblich an den Gesprächen beteiligt war.

Überregional wurde die Bahnstrecke später als „Whisky-Wodka-Linie“ bekannt. Für die Herkunft des Begriffs gibt es mehrere Erklärungsansätze: den angeblichen Austausch landestypischer Spirituosen nach den Vertragsverhandlungen, den gemeinsamen Genuss zum Abschluss der Gespräche oder eine Wortschöpfung des Volksmunds aufgrund des Streckenverlaufs entlang der Grenze zwischen den Besatzungszonen. Belege für diese Legenden gibt es laut Museumschef Stöber jedoch nicht. Möglich sei auch, „dass die eingängige Metapher schlichtweg auf einen findigen Journalisten zurückgeht“.

Ein in Wanfried verbreiteter Mythos besagt, die Stadt habe ursprünglich ebenfalls zur sowjetischen Besatzungszone gehören sollen, sowjetische Soldaten hätten bereits das Rathaus besetzt – gestoppt nur durch US-Verhandlungsführer Burda. „Er gilt heute als Retter von Wanfried. Die Stadt benannte 2006 einen Platz nach ihm“, so Museumsleiter Stöber. An handfesten Beweisen mangele es jedoch. Im Gegenteil: Laut Stöber zeigen die Quellen ein anderes Bild. Die Präsenz sowjetischer Soldaten sei auf Treffen mit den US-Militärs zurückzuführen, die zunächst in Wanfried und später auf Gut Kalkhof stattfanden: „Den überlieferten US-Akten zufolge verliefen die Verhandlungen reibungslos und zügig.“