Wahrhaftig leben

Adventszeit ist Bußzeit. Die wenigsten wissen das noch. Und doch ist unübersehbar, dass viele bereit sind, großzügiger als sonst Geld zu spenden oder auf andere Weise Gutes zu tun.

Der Predigttext des folgenden Sonntags lautet: „Was sollen wir denn tun?“, Lukas 3,10.
„Was sollen wir denn tun?“ – fragen die Menschen, die zu Johannes an den Jordan gekommen sind. Neugier hat sie hergelockt. Johannes sei ein großer Prophet, erzählt man. Einige halten ihn sogar für Elia, der am Ende der Zeit erscheinen wird, um die Ankunft des Messias zu verkünden. Genau dort, wo jetzt Johannes das Volk um sich schart, hat Elia einst den Jordan durchschritten. Wie Elia fordert auch Johannes Wahrhaftigkeit: „Bringt Früchte, die zeigen, dass es euch mit der Umkehr ernst ist, und denkt nicht im Stillen: ,Wir haben ja Abraham zum Vater‘. Denn es ist schon die Axt den Bäumen an die Wurzel gelegt. Jeder Baum, der nicht gute Frucht hervorbringt, wird abgehauen und ins Feuer geworfen.“

Die Menschen reagieren betroffen. Sie verstehen, dass es zu einfach ist, im Wasser des Jordan unterzutauchen, um danach „reingewaschen“ von allen Verfehlungen in das alte Leben zurückzukehren. Johannes hat recht: Wenn sich die Welt zum Guten verändern soll, müssen sie selbst auch etwas ändern. Es ist zu billig, die Verantwortung nur auf die anderen zu schieben: die Besatzungsmacht, die Regierung, die ungerechten Verhältnisse …

„Was sollen wir denn tun?“ Sie wollen eine ehrliche Antwort und bekommen sie: „Wer zwei Hemden hat, der gebe dem, der keines hat; und wer zu essen hat, tue ebenso.“

Johannes stellt keine unerfüllbaren Forderungen. Den Zöllnern antwortet er: „Fordert nicht mehr, als euch vorgeschrieben ist.“ Sogar die Soldaten des Herodes, die ihren mageren Sold durch Erpressung und Folter aufzubessern pflegen, dürfen ihren Beruf weiter ausüben, solange sie niemandem Gewalt oder Unrecht tun. Heißt also: Umkehr ist nötig, aber sie ist auch möglich. Den Weg zu bereiten für die Ankunft Gottes ist keine Angelegenheit von Stimmungen und Gefühlen, es ist vor allem eine Angelegenheit der Tat.
Unsere Autorin
Astrid Fiehland van der Vegt
ist Pastorin in Hamburg-Nienstedten.
Zum Predigttext des folgenden Sonntags schreiben an dieser Stelle wechselnde Autoren. Einen neuen Text veröffentlichen wir jeden Mittwoch.