Wahl in Südafrika: Lange Schlangen und erhöhtes Sicherheitsaufgebot

Als um sieben Uhr die Wahllokale eröffnen, hat sich im Township Villa Liza vor den Toren Johannesburgs bereits eine lange Schlange gebildet. „Ich bin seit halb vier in der Früh hier“, sagt John Nyawo. Der 53-Jährige ist Lkw-Fahrer. Er muss bald zur Arbeit und ist dann erst einmal unterwegs. Sein Kreuzchen zu setzen, sei ihm aber in diesem Jahr besonders wichtig gewesen, betont Nyawo: „Wer Veränderung will, muss wählen gehen.“

Abgestimmt wurde am Mittwoch über die Zusammensetzung eines neuen Nationalparlaments und über neun Provinzparlamente. Und zum ersten Mal sieht es so aus, als ob die Dauerregierungspartei African National Congress (ANC) ihre bis dato unangefochtene Stellung verlieren und unter 50 Prozent fallen könnte. Denn der Frust der Bevölkerung ist groß: Anhaltende Stromausfälle, Kriminalität und eine Arbeitslosigkeit von 41 Prozent sind nur einige der Probleme, die den Menschen zu schaffen machen – und den ANC Vertrauen gekostet haben.

Gut 27,5 Millionen Menschen hatten sich laut Wahlkommission registrieren lassen. Vor dem Wahltag haben Umfragen allerdings eine hohe Enthaltungsrate vorhergesagt. Die Enttäuschung über die Regierungsbilanz des ANC und das Gefühl, sich mit keiner der vielen Parteien zu identifizieren, sind demnach maßgebend dafür, dass viele Wahlberechtigte angaben, wahrscheinlich zu Hause zu bleiben.

In Villa Liza sieht es nicht danach aus: Noch bevor die Mittagssonne ihren Zenit erreicht, ist die Schlange der Wahlwilligen so lang, dass sie sich mehrfach um den Rasenplatz windet. Eine behelfsmäßige Wellblechhütte ist zum Wahllokal umfunktioniert worden. Auf dem Vorplatz und in den umliegenden Straßen sorgen Polizeistreifen für Sicherheit.

Im Gegensatz zu vorherigen Wahlen ist die Polizeipräsenz in diesem Jahr deutlich aufgestockt worden. Populistische Parteien, allen voran die von Ex-Präsident Jacob Zuma gegründete Partei uMkhonto weSizwe (MK), hatten im Wahlkampf die Stimmung aufgeheizt. Immer wieder griff die MK die Wahlkommission an und zweifelte deren Integrität an. MK-Jugendparteichef Bonginkosi Khanyile hatte gar gedroht, es werde keine Wahlen geben, wenn Parteivorsitzender Zuma nicht auf dem Wahlzettel stehen sollte. Wegen Drohungen und Zwischenfällen wie einer Schießerei am Sonntag zwischen ANC- und MK-Anhängern, bei der zwei Menschen ums Leben kamen, seien die Sicherheitskräfte diesmal in deutlich größeren Zahlen in bestimmten Regionen präsent, bestätigt ein Polizist unter Wahrung von Anonymität.

In einer Ansprache kurz vor den Wahlen machten die Strafverfolgungsbehörden deutlich, keinerlei Anstiftung zur Gewalt oder Versuche, den Ablauf der Wahlen zu stören, zu tolerieren. Die Warnung erfolgte, nachdem ein Video in den sozialen Medien die Runde machte über eine angebliche Wahlmanipulation, die MK-Anhänger aufgedeckt hätten. Das Video war unter anderem von Zumas Tochter Duduzile Zuma-Sambudla reichweitenstark auf der Plattform X verbreitet worden. Zuma selbst war kurz zuvor vom Verfassungsgericht aufgrund einer Vorstrafe von der Kandidatur für das Nationalparlament ausgeschlossen worden.

Die Wahl gilt als richtungsweisend, mit viel Potenzial für Überraschungen. Zum ersten Mal könnte es eine Koalitionsregierung geben. Denn erstmals in 30 Jahren sieht es nach einer Abwendung vom ANC aus. Zu groß ist die wirtschaftliche und soziale Not in dem Land am Kap. Der Traum Nelson Mandelas von einer geeinten Regenbogennation ist vor den Korruptionsskandalen der vergangenen Jahre und täglichen Existenzsorgen der Südafrikaner verblasst.

Gleichzeitig kann der ANC auf einen großen Pool loyaler Wähler blicken. Vor allem unter der ländlichen Bevölkerung und der älteren Generation heißt es, dass viele der ehemaligen Befreiungsbewegung treu bleiben. Welchen Weg das Wahlergebnis weist, soll sich spätestens am Sonntag zeigen. Dann will die Wahlkommission das endgültige Ergebnis bekannt geben.