Wärme in kalten Zeiten

„#wärmewinter“ heißt eine Initiative von Diakonie und Evangelischer Kirche in Deutschland. Möglichst gemeinsame Aktivitäten und Angebote von Kirche und Diakonie sollen ein Zeichen gegen soziale Kälte setzen.

Allen Projekten unter dem Stichwort „#wärmewinter“ ist eins gemeinsam: Sie sollen Menschen zusammenführen.
Allen Projekten unter dem Stichwort „#wärmewinter“ ist eins gemeinsam: Sie sollen Menschen zusammenführen.Mikhaylovskiy

„Wir wollen nicht nur den Körper, sondern auch das Herz erwärmen“, sagt Petra Gosda. Der Name des Cafés, in dem sie ehrenamtlich mitarbeitet, ist Programm: „Kalt is‘ woanders“ heißt es. Jeden Dienstag lädt es seit November und noch bis Ende März Menschen in die Familienbildungsstätte Ahlen ein – zu Gemeinschaft, Kaffee, Tee und Keksen.

Die Idee dazu entstand im vergangenen Herbst quasi zeitgleich in der katholischen und evangelischen Kirchengemeinde. „Irgendwer sagte was von Wärmestube“, erzählt die promovierte Pfarrerin, die hauptamtlich im Schuldienst und ehrenamtlich in der evangelischen Kirchengemeinde Ahlen aktiv ist. Und dann habe die Sache ihren Lauf genommen. Einen Raum stellte die katholische Familienbildungsstätte zur Verfügung. Und zwar einen, der nicht nur „wunderschön“ ist, wie Gosda sagt, sondern aufgrund der zentralen Lage der Bildungsstätte auch noch bestens erreichbar – und außerdem: kostenlos.

Zehn bis 14 Frauen und Männer kommen jeden Dienstag dorthin – Menschen aus den Gemeinden ebenso wie Kirchenferne. Auch Geflüchtete sind hin und wieder dabei. Alle sitzen um einen großen Tisch, es gibt Gelegenheit zu Gesprächen in größerer und in kleinerer Runde. Ein festes Programm ist nicht vorgesehen. Auf geistliche Elemente wird bewusst verzichtet.

Getragen wird das Café von einer Gruppe von etwa acht Engagierten aus beiden Gemeinden. Koordiniert und organisiert wird alles von Ulrike Freede von der Evangelischen Kirchengemeinde.

Petra Gosda ist glücklich über dieses neue ökumenische Angebot. Vor allem ist ihr wichtig, dass die Kirchen damit auf die Tatsache reagierten, dass wir „ja nicht nur eine Energiekrise, sondern auch eine Sorgenkrise haben“, sagt die Pfarrerin. Gegen Einsamkeit, Ängste und Hoffnungslosigkeit soll das Café „Kalt is‘ woanders“ ein Zeichen setzen. Und das kommt offenbar an. hei

Begegnungscafé im Mehrgenerationenhaus

Tischgruppen, Kaffee und Tee umsonst oder Kaffeespezialitäten für wenig Geld, Möglichkeiten zum Spielen oder einfach nur zum Klönen: Das ist das statt.wohnzimmer in der Lemgoer Innenstadt. Für den „Wärmewinter“ zog das Begegnungscafé im Mehrgenerationenhaus kurzerhand ins Gemeindehaus der St. Pauli-Kirchengemeinde um. „Hier haben wir mehr Platz, und den brauchen wir, wenn wir wirklich offen sein möchten für Menschen mit sozialen Nöten“, erklärt Leiterin Silke Schmidt. „Außerdem wird das Gemeindehaus sowieso geheizt – das darf gern bis zum Anschlag genutzt werden.“

An drei Nachmittagen in der Woche mischen sich in dem großen Saal verschiedene Gruppen und Einzelpersonen, wie Schmidt erzählt. An einem Tisch sitzt die Canasta-Runde, am nächsten Ukrainerinnen und Ukrainer. Aus einer anderen Runde von Menschen mit Fluchthintergrund arbeiten inzwischen einige ehrenamtlich mit und schauen als Gastgeber, ob alle mit Getränken versorgt sind oder irgendwo Anschluss finden möchten. „Dadurch, dass alle gemeinsam in einem großen Raum sitzen, entsteht ein sehr warmherziges Miteinander und niemand bleibt isoliert“, sagt Schmidt.
Beliebt in allen Generationen sind die Spielenachmittage, die einmal im Monat vom Verein „Lebenskünstla“ angeboten werden. Demnächst kommt noch ein Winterspielplatz mit Bewegungsparcours dazu, damit auch Kinder auf ihre Kosten kommen.

Auf geistliche Angebote verzichten sie im statt.wohnzimmer. Eine Ausnahme gibt es allerdings, wie Silke Schmidt erzählt: Die Kartenspiel-Runde legt immer montags um 16 Uhr eine kurze Pause ein, um für den Frieden in der Ukraine zu beten. „Das wird vorher kurz erklärt, um keinen zu überfahren“, sagt Schmidt. Bis März bleibt das Angebot noch im St. Pauli-Gemeindehaus, danach geht es zurück ins Mehrgenerationenhaus. leg

„Ein warmer Ort“

Im Herbst entschied die evangelische Gemeinde in Sennestadt, dass sie für den Winter ein diakonisches Angebot haben möchte. „Da hat sich ganz schnell ein Team zusammengefunden“, sagt Pfarrerin Nicole Hoffmann. „Das war toll.“ Auch ein Name für die Aktion war schnell gefunden: „Ein warmer Ort“. An zwei Nachmittagen bietet die Gemeinde einen Ort, der geheizt ist und wo es heiße Getränke und etwas Süßes gibt. „Aus dem Team sind immer mindestens zwei bis drei Menschen dabei. Wir unterhalten uns, spielen etwas oder basteln auch mal.“ Jeden Dienstag ist das Kreuzkirchenforum geöffnet und jeden Freitag das Gemeindehaus an der Jesus-Christus-Kirche.

So richtig scheint sich die Aktion noch nicht herumgesprochen zu haben. „Zwei Menschen kommen regelmäßig, aber sonst schaut mal jemand vorbei, kommt aber nicht unbedingt wieder“, so Hoffmann. In der Gemeinde wurde überlegt, ob sie das Angebot einstellen. „Wir haben uns dann aber dafür entschieden, Werbung zu machen. Vermutlich wird es in den nächsten Wochen noch mal richtig kalt.“

Auffällig ist, dass die Menschen, die bislang kommen, eher auf der Suche nach sozialer Wärme sind. „Deswegen nennen wir die Aktion jetzt auch ,Gemeinsam statt einsam – ein warmer Ort‘“, sagt die Pfarrerin. Wichtig ist ihr, dass das Angebot offen ist für alle. „Und dass man auch kurz vorbeischauen kann. Wenn jemand nur einen Kaffee will und einen Keks oder Schokolade dazu und anschließend wieder geht, ist das auch völlig in Ordnung.“ Sie hofft, dass bald mehr Menschen kommen. „Wir glauben an das Projekt und hoffen, die Menschen zu erreichen.“ kil

ein dampfender Becher Tee auf einem Tisch, daneben ein Korb mit Brötchen

Wenn die Evangelische Stadtkirchengemeinde Marl ihre Türen zum „Wärmewinter“ öffnet, kommt eine bunte Runde zusammen. Die Mutter aus der Ukraine, die langjährige Besucherin aus der Frauenhilfe, der Wohnungslose. Und noch etliche mehr. „Durchschnittlich 40 Leute haben wir bei jedem Treff“, berichtet Michael Wiese, der Gemeindepädagoge. Drei Treffs gibt es pro Woche, an drei verschiedenen Orten. „Das sind 120 Teilnehmerinnen und Teilnehmer pro Woche“, sagt Wiese, „nicht schlecht, wenn man bedenkt, wie unsicher wir anfangs waren, ob überhaupt jemand kommen würde“.

Bisher sorgten milde Temperaturen und gefüllte Gasspeicher für Entwarnung. „Aber“, so Wiese, „wenn die Menschen Ende Januar ihre Gas- und Stromrechnungen bekommen, könnte das die Lage noch einmal verschärfen.“

Bei den Treffen warten auf die Besucherinnen und Besucher geheizte Räume, aber auch Getränke und ein Mittagessen. „Kostenlos“, erklärt Michael Wiese. Das Essen stammt aus der Küche der Diakonie. Finanziert wird das Ganze durch Spenden und die Fördermittel, die die Landeskirche aus der Steuerentlastung zur Verfügung stellt. „Es geht hier nicht allein um Heizung und Essen“, erläutert Michael Wiese. „Vor allem die Kontakte, das Treffen, das Miteinander sind wichtig.“ Gerade hier, so Wiese, könne die Kirche zeigen: Wir sind für euch da! Und so sprechen die Menschen miteinander, knüpfen Kontakte. Auch, wenn es um Fragen wie Schuldnerberatung oder Heizkosten geht, kann die Kirche Ansprechstellen anbieten.

Solche Angebote brauchen Menschen, die vorbereiten und anpacken. „Wir haben rumgefragt, auch über die Zeitung – und viele haben uns spontan ihre Mitarbeit zugesagt.“ Auch solche, die bislang nichts mit der Kirchengemeinde zu tun hatten. „Eine tolle Erfahrung“, so Wiese, „manche erleben jetzt: Ach, Kirche – das könnte ja doch was für mich sein.“ gmh

Von kostenfreiem Mittagessen bis CoWorking Space

Üblicherweise legt die evangelisch-reformierte Kirchengemeinde Rödgen-Wilnsdorf im Kirchenkreis Siegen von Januar bis März vier ihrer sechs Predigtstellen still, um Energie zu sparen. Doch das Presbyterium beschloss bereits im August, dass es diesen Winter anders laufen soll. Denn: „Es ist ein schlechtes Signal, nur zu sparen“, sagt Pfarrer Christoph Otminghaus. Herausgekommen sind fünf unterschiedliche Projekte. Finanziert werden sie durch Spenden sowie Fördermittel der westfälischen Landeskirche und des Landes NRW.

Erfolgreich gelaufen ist in den Winterferien eine Woche für Kinder in Niederdielfen. „Warm ums Herz“ soll es Menschen in Wilnsdorf bei einem kostenfreien Mittagessen dreimal die Woche werden. Das ist eine ökumenische Kooperation und wird sehr gut angenommen. In Wilgersdorf treffen sich dreimal die Woche nachmittags Jugendliche. Und in Wilden sind fünfmal die Woche Eltern mit ihren kleinen Kindern, die noch nicht in den Kindergarten gehen, ins Gemeindezentrum eingeladen.

Das wohl ungewöhnlichste Angebot ist ein CoWorking-Platz im alten Pfarrhaus in Rödgen. Dort können Menschen arbeiten, die sonst alleine im Homeoffice sitzen würden – im ländlichen Raum ein absolutes Experiment. Ein Büroausstatter hat die Technik dazu zur Verfügung gestellt. Sechs Arbeitsplätze in drei Räumen können dabei genutzt werden.

Bei allen Projekten wird nach einigen Wochen geprüft, was behalten wird. „Das Ergebnis ist noch völlig offen, aber gerade darin liegt auch eine große Freiheit, denn es besteht kein Erfolgsdruck“, so Otminghaus. Es zeigt sich aber schon jetzt, dass für alle Angebote Ehrenamtliche gewonnen werden konnten. Und wo es bis März besonders gut läuft, besteht eine Möglichkeit, das Projekt auch über den Winter hinaus fortzuführen. str