Vorwurf: Keine Aufarbeitung von sexuellem Missbrauch im DDR-Sport

Bis heute fällt es Betroffenen sexualisierter Gewalt im DDR-Sport schwer, darüber zu reden. Eine unabhängige Kommission erwartetet vom Staat ein deutlich größeres Engagement bei der Aufarbeitung.

Hersteller der am häufigsten verwendeten Anabiolikums im DDR-Leistungssport war der VEB Jenapharm
Hersteller der am häufigsten verwendeten Anabiolikums im DDR-Leistungssport war der VEB JenapharmImago / Sepp Spiegl

Betroffene sexualisierter Gewalt im DDR-Sport beklagen nach Darstellung der Unabhängigen Kommission zur Aufarbeitung sexuellen Kindesmissbrauchs eine fehlende Aufarbeitung. Sie forderten vom Staat Unterstützung und die Übernahme von Verantwortung, sagte die Landesbeauftragte für Mecklenburg-Vorpommern zur Aufarbeitung der SED-Diktatur, Anne Drescher, bei einem Fachgespräch in Schwerin.

Drescher sprach sich für mehr Fachberatungsstellen, Therapie- und Selbsthilfemöglichkeiten aus. Auch in Behörden sollte das Personal zu DDR-Geschichte und sportspezifischen Bedingungen geschult und Hilfeleistungen weniger bürokratisch gewährt werden. Vom organisierten Sport erwarteten Betroffene ein deutlich größeres Engagement bei der Aufarbeitung und Anerkennung der erlebten Gewalt.

Im Sport Missbrauch begünstigt

Sexualisierte Gewalt sei in der DDR länger tabuisiert gewesen als in der alten Bundesrepublik, erläuterte Drescher. Das gilt nach ihren Worten insbesondere im Sport, wo Kinder und Jugendliche auf Höchstleistungen getrimmt wurden. Aufgrund seiner Macht- und Abhängigkeitsstrukturen habe das DDR-Leistungssportsystem Missbrauch begünstigt, hieß es. Auch in der Sportwissenschaft und Sportgeschichte sei sexualisierte Gewalt im DDR-Sport ein weißer Fleck. Hier bedürfe es mehr Forschung.

Betroffene ermutigen

Die Unabhängige Kommission zur Aufarbeitung sexuellen Kindesmissbrauchs untersucht seit 2016 Ausmaß, Art und Folgen sexualisierter Gewalt gegen Kinder und Jugendliche in der Bundesrepublik Deutschland und der DDR. Sie ermutigt Betroffene, sich zu melden und bei einer vertraulichen Anhörung oder in einem schriftlichen Bericht ihre Geschichten zu erzählen. Betroffenen falle es bis heute sehr schwer, darüber zu reden, sagt das Kommissionsmitglied Christine Bergmann.