Vor 700 Jahren starb Marco Polo

Der Flughafen von Venedig trägt seinen Namen, ebenso ein Modelabel. Die historische Figur Marco Polo bleibt dagegen schwer zu fassen. Sein Reisebericht aber lädt auch 700 Jahre nach Polos Tod ein zu Leseabenteuern.

Von Russland hatte er keine gute Meinung. Nirgends auf der ganzen Welt sei es so bitterkalt wie dort. „Nur mit allergrößter Mühe bewahrt man sich vor dem Erfrieren.“ Angetan hatte es ihm dagegen das heutige China. Der Reiswein in Catai schmecke köstlicher als jeder andere Wein. Und die Hauptstadt Canbaluc – das heutige Peking – verfüge über einen prächtigen Palast, der überdies äußerst wetterfest errichtet sei. „Das Dach ist solid und hält jahrelang dicht.“

In seinem vermutlich kurz nach 1300 erschienenen „Divisament dou monde“ berichtete Marco Polo dem staunenden Publikum von seiner Asien-Reise. Noch heute ist die Lektüre ein Vergnügen, nimmt der Verfasser – „doch jetzt vernehmt noch etwas Außerordentliches“ – den Leser mit in ferne Welten, räumlich wie zeitlich. 1271 war der damals 17-Jährige zusammen mit seinem Vater Niccolo und seinem Onkel Maffeo in den Fernen Osten aufgebrochen. Das genaue Datum ist unbekannt; erst 1295 kehrte er wieder in seine Heimatstadt Venedig zurück.

In den Archiven hinterließ er abgesehen von dem später „Il Milione“ genannten Text nur wenige Spuren. Eine davon ist ein auf den 9. Januar 1324 datiertes Testament, in dem er unter anderem die Freilassung seines Sklaven Pietro Tartaro verfügt. Peter „der Tartare“ – das deutet auf die weiten Wege hin, die Marco Polo als junger Mann zurücklegte. Weil er in seinem Testament von körperlichen Gebrechen spricht, ist davon auszugehen, dass der Verfasser recht bald danach, also vor 700 Jahren, das Zeitliche segnete.

Der Kaufmann durchquerte Persien, trat im heutigen China in die Dienste des mongolischen Großkhans Khubilai und segelte auf dem Heimweg die indische Küste entlang. Ein strammes Programm – und trotzdem schon damals nichts Einmaliges, wie der Historiker Wolfgang Reinhard betont. Es ist sein detaillierter Bericht, der Polo von anderen Händlern abhebt – oder von Geistlichen, die sich ebenfalls auf den Weg zu den Mongolen machten, die man seinerzeit noch Tartaren nannte.

Deren Eroberungszüge bis nach Schlesien und Ungarn hatten wenige Jahrzehnte zuvor für Angst und Schrecken im christlichen Abendland gesorgt. Die Reiterhorden seien Abgesandte der apokalyptischen Völker Gog und Magog, hieß es. Schon der flämische Franziskaner Wilhelm von Rubruk wusste allerdings Mitte des 13. Jahrhunderts von Europäern am Hof des Khans zu berichten. Papst Innozenz IV. streckte seine Fühler aus.

Einer seiner Gesandten, Johannes de Plano Carpini, konnte dem frisch inthronisierten Großkhan Güyük eine Botschaft des Kirchenoberhaupts überreichen. Offenbar kam es zu einem Missverständnis. Der mächtige Herrscher der Mongolen nahm an, der Papst wolle sich ihm unterwerfen: Er forderte Innozenz IV. auf, ihm zu huldigen. „Wenn ihr aber Gottes Befehl nicht annehmt und unserem Befehl zuwiderhandelt, werden wir erkennen, dass ihr unsere Feinde seid.“

Vor diesem Hintergrund wurde Marco Polo zu einer Art Mittler zwischen den Kulturen. Er war der der erste, „der die Welt der Mongolen positiv darstellte“, wie es die Dresdner Literaturwissenschaftlerin Marina Münkler formuliert. Polo schildert im „Divisament dou monde“ den Aufstieg des sagenhaften Dschingis Khan und erzählt von den Festen dessen Nachfolgers und seines Dienstherren Khubilai.

In einem Abschnitt über das heutige Sri Lanka zeichnet er als erster Europäer die Geschichte Buddhas auf. Er erwähnt den vor allem in Persien aktiven muslimischen Geheimbund der Assassinen und weiß über die Bewohner einer Nikobaren-Insel zu berichten: Diese besäßen zwar „sehr schöne, drei Ellen lange Gewänder oder Überwürfe aus Seide jeglicher Farbe“, zögen diese jedoch nie an. „Sie brauchen sie bloß zum Präsentieren.“

Bei der Abfassung seines Berichts griff dem Kaufmann nach Ansicht vieler Wissenschaftler ein gewisser Rustichello da Pisa unter die Arme. Das legen zumindest der Prolog und einige Formulierungen nahe, die sowohl bei Rustichellos Bearbeitungen von Artus-Erzählungen als auch bei Polos Bericht auftauchen. Spekulationen, wonach auch die Expeditionen Polos ins Reich der Legenden gehört, weisen die meisten Experten heute indes zurück.